Kategorien
Wirtschaft und Soziales

Früher war alles besser

Die gute alte Zeit

Wird man älter und denkt zurück, so erinnert man sich vorwiegend an gute Gefühle und schöne Erlebnisse.

Man war jung, gesund und kräftig. Die Welt stand einem offen, man fühlte sich allen Herausforderungen gewachsen. Es gab mehr Mitmenschlichkeit, z. B. Kameradschaft im Sportverein statt Narzissmus im Fitnesscenter. Fast alle Sportler waren einst Amateure. Doch dieser Status ließ sich im internationalen Wettbewerb nicht halten, da die Leistungssportler im Ostblock zumindest Halbprofis waren. Das konnte ich selbst aus erster Hand erfahren als Teilnehmer bei einem offiziellen Länderkampf im Degenfechten Deutschland – Polen 1956 in Warschau.[i]

Dann folgten zwangsläufig grundlegende persönliche Entscheidungen, die den weiteren Lebensweg bestimmten und die individuelle Freiheit begrenzten: Ausbildung, Berufswahl, Familiengründung, Wohnort. Doch die glücklichen Erinnerungen an die Jugendzeit bleiben.

Nach der Währungsreform vom 20. Juni 1948 wuchs die deutsche Wirtschaft.
Persönlich bin ich ziemlich zeitgleich mit der Währungsreform in mein Berufsleben eingestiegen. Bei Tätigkeiten im Handel, in der Industrie und einem Hochschulstudium konnte ich den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands erleben.

Millionen Vertriebene aus den verlorenen Gebieten im Osten konnten aufgenommen werden, die zerbombten Städte wurden wieder aufgebaut, der Staatshaushalt war ausgeglichen, die D-Mark eine der härtesten Währungen. Die soziale Markwirtschaft entschärfte die Spannungen zwischen Kapital und Arbeit. Die Löhne stiegen, es gab bald Vollbeschäftigung, die Einkommensunterschiede waren geringer als heute. Ich entsinne mich, wie wir mit Staunen vermerkten, dass der neue Mercedes-Chef ein Jahresgehalt von einer Million erhalten solle!

Niemand zweifelte an der Sicherheit seines Arbeitsplatzes, von Renten und Spareinlagen. Unsere Demokratie mit drei (genau genommen vier) etablierten Parteien schien gefestigt. Man lebte bescheidener, aber mit mehr Zuversicht als heute.

Die westliche Welt war friedlich, stabilisiert durch Eisernen Vorhang und Kalten Krieg. Der Korea-Krieg blieb für uns eine Episode, die einen kurzen Boom auslöste.

Abenteuerlustige junge Leute konnten mit einem VW-Bully über den Balkan, durch die Türkei und den Iran nach Afghanistan, Pakistan und Indien reisen.

Die Welt im Wandel

Dann kamen Umbrüche: Automatisierung, Wiedervereinigung, Globalisierung, Deregulierung[ii], Liberalisierung, Internet, Digitalisierung, Überschuldung vieler Staaten, Instabile Finanzsysteme, Börsencrash, Umweltzerstörung, globale Erwärmung, Asylanten, künstliche Intelligenz (KI).
Der moralische Niedergang wird durch orientalische Clanstrukturen, (organisierte) Kriminalität, Drogenmissbrauch, Korruption, Terrorismus usw. unübersehbar.
Durch den weltweiten Konkurrenzkampf mit dem härtesten Wettbewerb aller Zeiten verlor Europa ganze Industriezweige. Der Vorsprung des Westens schwindet, Arbeitsplätze werden ausgelagert.  

Der nun ungebremste Turbokapitalismus zeigt seine hässliche Fratze.

Extremistische Parteien machen die Demokratie unübersichtlich und instabil.

Weltweit wächst die Zahl der „failed states“ (gescheiterte Staaten), die ihre Grundaufgaben (innere und äußere Sicherheit, Rechtsordnung, Sozialsysteme, Versorgung mit Nahrungsmitteln und Energie, usw.) nicht erfüllen können. In etlichen Regionen übernehmen sogar bewaffnete Banden die Macht.

Diese Änderungen und Verwerfungen kamen für die Meisten, von denen sich viele überfordert fühlen, zu schnell.

In Deutschland erweist sich die Zersplitterung in 16 Bundesländer (8 wären reichlich genug) immer deutlicher als Hindernis für nötige Reformen (Bauordnungen, Digitalisierung, Verkleinerung des Bundestages, Wahlrechtsreform usw.).

Die Europäische Union kann die in sie gesetzten Erwartungen immer weniger erfüllen.

Zwar wurde der Euro eingeführt (als Preis für die deutsche Einheit oder als Ersatz für Reparationen?), der die Unterschiede zwischen den verschieden entwickelten Volkswirtschaften vergrößert, anstatt sie abzubauen. Aber die unerlässlichen flankierenden Maßnahmen bleiben aus: Gemeinsame Außenpolitik (wieso braucht jedes Land der EU eine Gesandtschaft in allen wichtigen Staaten? Genügt nicht eine Botschaft der EU?); gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Verteidigungspolitik; Angleichung von Arbeitszeiten, Besteuerung, Rentenalter, Gesetzen und Rechtsordnungen; wirksame Bekämpfung der Korruption, des Drogenhandels und des organisierten Verbrechens usw. Von dem kostspieligen Unfug der zwei Parlamentssitze in Straßburg und Brüssel besser nicht zu reden.

Politikversagen oder Versagen der Politiker?

Neu für Europa sind Terrorakte extremistischer Gruppierungen. Hier wirken die Staatsorgane oft hilflos.

Auch wird wieder Krieg geführt in Europa: In Irland, im Balkan, in Armenien und in der Ukraine tobten hässliche Bürgerkriege.

Deutsche Soldaten werden – in den 50er und 60er Jahren undenkbar – zu „Friedensmissionen“ in den Balkan, nach Afghanistan, in den Nahen Osten und nach Afrika geschickt. Etliche – zu viele – kommen in Särgen zurück. Die Ergebnisse dieser kostspieligen „Friedenseinsätze“ sind mehr als dürftig und z.B. in Afghanistan nach 19 Jahren eher kontraproduktiv. Der „demokratische Westen“ verschleudert hier viele Milliarden und erntet den Hass der islamischen Welt.[iii]

Die Verwundbarkeit von Wirtschaft und Politik, sowie deren Schwachstellen deckt die Corona-Krise nun rücksichtslos auf.

Der Euro und die EU werden diese Krise wohl noch überstehen. Doch werden beide auch weiteren, ernsten Herausforderungen standhalten können? Der Austritt Großbritanniens ist ein Warnschuss, den anscheinend niemand hören will!   

Haben wir die Kraft für nötige Reformen?

Immer mehr gut ausgebildete junge Leute denken über Auswanderung nach.

Ist es verwunderlich, wenn sich Viele zurücksehnen nach der „guten alten Zeit“ der 50er bis 80er Jahre, in der die Welt noch stabil war und auf einem guten Weg schien?[iv]

Aber die Welt war doch nie besser!

Diesem obigen, bei vielen Älteren durch persönliche Eindrücke geprägten Bild einer nur Jahrzehnte zurückliegenden „besseren Zeit“ widersprechen Ökonomen und Soziologen entschieden. Aus deren Sicht ging es uns noch nie so gut wie heute:

In Mitteleuropa herrscht seit 75 Jahren Frieden; die längste Friedensperiode seit der „pax romana“, dem Augusteischen Frieden im 1. Jahrhundert! In vorausgegangenen Jahrhunderten gab es in Europa mindestens zwei Kriege pro Jahrhundert, von den zahlreichen Kolonialkriegen nicht zu reden. Die heutige, glückliche Friedenszeit ist angeblich vor allem der EU zu verdanken, die derzeit allerdings vor großen Herausforderungen steht.

Der Wohlstand wäre – trotz dramatisch gewachsener Bevölkerung – in der Mehrzahl der Länder, selbst in Entwicklungs- und Schwellenländern, höher als je zuvor. Die Möglichkeiten der naturwissenschaftlich-technischen Zivilisation, die von einer Neuerung zur andern eilt, scheinen grenzenlos. Die Forschung floriert, neue wissenschaftliche Erkenntnisse überschlagen sich und lassen überraschende neue Möglichkeiten erwarten. 

In allen Problemfeldern gilt der Trend als rückläufig; für noch bestehende ökologische, ökonomische, politische, soziale Verwerfungen darf man praktikable Lösungen erhoffen. Politiker können sich zurücklehnen und so weitermachen wie bisher.[v]

Zusammenfassend ergibt sich aus dieser, vom Mainstream propagierten Sicht ein optimistisches Bild der Gegenwart, das eine noch bessere Zukunft mit weit mehr Wohltaten für alle Menschen erwarten lässt.   

Von der Corona-Krise abgesehen, die bald vorübergehen soll, geht es uns also prächtig, so gut wie nie zuvor!

Warum merken wir das nicht?

Denn bei allem Fortschritt, bei allen echten oder nur scheinbaren Errungenschaften sind wir nicht zufrieden und glücklich.

Warum wohl?

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein (Matth. 4,4)

Unsere Welt ist vom Materialismus geprägt, um nicht zu sagen vom Materiellen besessen.

Der Mensch selbst versteht sich als einen Primaten mit besonders großem Gehirn, der durch sein überragendes Denkvermögen aus der übrigen Natur herausgehoben ist.

Alle Anstrengungen, alle Bemühungen unserer Zivilisation richten sich auf die äußeren, die sichtbaren Erscheinungen. Die Naturwissenschaften geben mit ihrem, auf das Irdische beschränktem Weltbild die Richtung vor. Nicht nur die exakten Wissenschaften, auch Ökonomie, Ökologie, Politik, sogar Philosophie und die Religionen werden vom Verstandesdenken dominiert.

Die alltäglichen Abläufe, die Versorgung der Bevölkerung, mit ihren steigenden Ansprüchen, funktionieren in den Industrieländern meist noch recht gut; denn hier ist der Verstand in seinem eigentlichen Wirkungsfeld, der groben Stofflichkeit.

Doch wenn Ethik, Friedfertigkeit, Religiosität, Toleranz, Verantwortungsbewusstsein, Weitblick, oder gar Weisheit verlangt sind, muss der Geist durch sein Empfinden die Richtung vorgeben, sonst versagen auch noch so gut gemeinte Denkansätze. Dominieren gar ungeistige Regungen wie Gefühle, Emotionen, Ideologien, Fanatismus, Fundamentalismus, dann ufern die Bestrebungen aus, geraten außer Kontrolle, oder erzeugen gar Unheil.

Die inneren, die eigentlichen Werte des Menschen, seine Empfindungen gehen durch die Dominanz des Denkens mit seiner Wissenschaftsgläubigkeit unter. Die wahre Menschlichkeit verkümmert. Selbst in der Kunst spielt das Empfinden nicht immer die entscheidende Rolle. Inspiration, höhere Eingebung sind oft nicht zu spüren oder werden gar durch Abartigkeiten ersetzt. –

In der christlichen Lehre besteht der Mensch aus dem Körper und der unsterblichen Seele, der das Paradies versprochen wird, sofern sie an die kirchlichen Lehren glaubt.  

Ich persönlich bevorzuge – im Anklang an die Gralsbotschaft – eine Dreiteilung der menschlichen Natur und gehe von einem unsterblichen Kern aus, der „Geistpersönlichkeit“, umgeben von feinstofflichen und grobstofflichen Hüllen. Der geistige Kern, der eigentliche Mensch ist aus dem Geistigen Reich als unbewusster Geistkeim ausgegangen. Er muss in die Stofflichkeiten eintauchen um sich in einer dichteren Umgebung, mit schärferen Gegensätzen, vom Unbewussten zum Bewussten zu entwickeln. Zuletzt darf er – nach einem langen Entwicklungsweg – als voll entwickelter, sichselbstbewusster Menschengeist in seine Heimat, das Geistige Reich, zurückkehren.

Art und Zeit der Entwicklung des Geistes hängen von seinen Entschlüssen ab, die seinen Lebensweg bestimmen und zu den notwendigen Erfahrungen führen, welche die inneren Werte des Menschen prägen. Denn dem Menschengeist ist die Freiheit der Entscheidung geschenkt, die allerdings untrennbar verbunden ist mit der Verantwortung für seine Entschlüsse und deren Folgen.[vi]

Beim irdischen Abscheiden lässt der Erdenmensch seinen Erdenkörper, die grobstoffliche Hülle samt deren Gehirn, zurück und lebt weiter im Jenseits als „Menschenseele“, also als Menschengeist mit feineren Hüllen.[vii]

Im Transzendenten kann sich die Seele weiter läutern, also neue Erfahrungen sammeln. Danach kommt die Seele entweder zur Erde zurück, um sich erneut in einen Erdenkörper zu inkarnieren. Oder sie hat sich nach vielen Erdenleben so weit veredelt, dass sie sich von allen Bindungen an die grobe Stofflichkeit lösen und in der Feinstofflichkeit weiter entwickeln kann, bis sie zuletzt auch die feinstoffliche Hülle abzulegen vermag. Dann öffnet sich für diese vollreife Seele das Tor in ihre wahre Heimat, die Religionen „das Paradies“ nennen.

Entscheidend auf diesem langen Entwicklungsweg ist die geistige Entwicklung. Nur über diese ist unser eigentliches Ziel erreichbar. Tiefe Empfindungen, die den Geist durchglühen, führen zu dem notwendigen Erleben, das die Geistpersönlichkeit, also den eigentlichen Menschen, reifen lässt.

Reine Verstandesleistungen, die nicht vom Empfinden gelenkt sind, bedeuten für die geistige Entwicklung wenig. Oberflächliches Denken, alltägliche irdische Tätigkeiten, Glauben ohne zu verstehen, unklare Gefühle, berühren das Empfinden, die Regungen des geistigen Kernes kaum. Dessen Entwicklung aber sind Ziel und Sinn notwendiger Erdinkarnationen und des Seins in transzendenten Regionen.

Der Ausdruck geistigen Erlebens liegt in unsern inneren Empfindungen, die führend wirken müssen und den Verstand nur als Werkzeug für das Erdenleben nützen sollen. Denn die Sprache des Geistes ist die Empfindung. Über sie können wir Ewigkeitswerte erfahren und unseren Lebensweg auf gottgewollte Bahnen leiten.

Eine Menschheit, die sich ganz und gar den äußeren Erscheinungen, den materiellen Vorgängen verschrieben hat und den Erdverstand dominieren lässt, verliert ihre Gemütswerte und die echte Menschlichkeit. Sie muss seelisch und geistig verarmen. Die notwendigen Verbindungen zu fördernden Schöpfungskräften reißen ab, und der Absturz einer solchen erdgebundenen Menschheit droht.

Unser Innerstes, der Menschengeist, empfindet schmerzhaft diesen modernen Irrweg, den Missbrauch der uns geschenkten Entscheidungsfreiheit und will uns warnen, zur Umkehr mahnen. Doch wir haben verlernt auf unser Empfinden zu hören, über dieses Kontakte zu höheren Kräften zu knüpfen und mit deren Hilfen Wege einzuschlagen, die mit den unabänderlichen Gottgesetzen harmonieren.

Stattdessen hören wir auf den an das Gehirn gebundenen Verstand, der uns auf naturfremde Wege drängt und wie Heuschrecken so lange über die Erde herfallen lässt bis sie kahlgefressen ist.

Dem Erdverstand ist aufgrund seiner Natur alles Höhere fremd. Geistiges kann er nie begreifen, und die wahre Gotterkenntnis ist ihm verschlossen.

Die Irrwege des auf die Materie fixierten Verstandes führen naturgesetzmäßig in den irdischen und geistigen Niedergang.  

Die notwendige Umkehr verlangt geistiges Erwachen!

Lasst uns durch edles Denken und Wollen Kontakte finden zu fördernden Schöpfungskräften und unser Empfinden stärken!

Dann können Zufriedenheit und Glück bei uns Einkehr halten!


[i] Der IOC-Präsident Avery Brundage (1887-1975) setzte das Amateur-Statut so streng durch, dass der Österreicher Karl Schranz 1972 von den Olympischen Spielen in Sapporo ausgeschlossen wurde, weil er bei einem Fußball-Benefizspiel ein Reklame-T-Shirt getragen hatte. (Wikipedia).
[ii] Die Deregulierungen waren schwere (vorsätzliche?) Fehler. Sie ermöglichen Steuerhinterziehung in großem Umfang (Steueroasen), öffnen Wege für die internationale Kriminalität (Mafia), in Zusammenarbeit mit Banken und sogar Regierungen. In den USA werden die hinterzogenen Steuern etwa gleich hoch wie der Wehretat eingeschätzt.
Dieses Bild wird in erschreckender Weise deutlich in der dreiteiligen Arte-Serie „Mafia und Banken“, gesendet am am 13. 2. 2024, 20:15.
[iii] Vgl. Buchbesprechung „Der Hass auf den Westen„.
[iv] Weitere Gedanken zu der „Welt im Wandel“ finden sich in folgenden Beiträgen: „Wirtschaft statt Humanität“, „Globalisierung der Unmoral“, „Das Ende des Gesellschaftsvertrages“, „Der Start ins 21. Jahrhundert“, „Bauchen wir die Öko-Diktatur?“, „Welche Apokalypse kommt?“.
[v] Das Buch „Factfulness“ von Hans Redling (Ullstein Verlag) sieht nur positive Entwicklungen und ist bestens geeignet zur Beruhigung der Politiker.
[vi] Hier kommt der Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik (Max Weber, 1864-1920) ins Spiel:
Das kirchliche Christentum ist gesinnungsethisch: „Der Christ tut recht und stellt den Erfolg Gott anheim.“ (Max Weber).
Die Gralsbotschaft „Im Lichte der Wahrheit“ von Abd-ru-shin (Buchbesprechung) ist verantwortungsethisch. Sie fordert, dass man für die (voraussehbaren) Folgen seiner Handlungen Verantwortung übernehmen muss. 
Dieser Zwiespalt zwischen Gesinnungsethik und vorausschauender Verantwortungsethik spaltet unsere Gesellschaft, z. B. bei der Flüchtlingsfrage.
[vii] Lesen Sie dazu „Die ersten Schritte in der Anderswelt“ unter „Religionsgeschichte“.