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Wirtschaft und Soziales

Abschied von der (sozialen) Marktwirtschaft ?

(Veröffentlicht im Juli 2020)

„Die Politik versucht mit künstlich geschaffenem Notenbankgeld die Welt von gestern zu retten – und verpasst so die Zukunft.“                    Gabor Steingart (4)

Im Zuge der Korona-Krise werden in Brüssel, unter Vorsitz der Bundeskanzlerin, alle ökonomischen Regeln über Bord geworfen, und alle Erfahrungen aus der Vergangenheit, nach denen auf Geldschwemme Inflation folgen muss, als ungültig erklärt.

Schon Isaac Newton (1642-1727) vertrat als königlicher Münzmeister die Meinung:
“Wenn der Betrag der im Umlauf befindlichen Währung sich verdoppelt, alles Übrige aber gleich bleibt, dann verdoppeln sich die Preise.
Die „postfaktische Ökonomie“ und die „Modern Monetary Theorie“ (MMT) von heute, hätte er – als streng logisch denkender Wissenschaftler – wohl kaum verstehen können[i]. 

Und Ludwig Erhard (1897-1977), der Vater der „Sozialen Marktwirtschaft“ warnte am  21. März 1962 vergeblich:
„Noch ist es Zeit, aber es ist höchste Zeit, Besinnung zu üben und dem Irrwahn zu entfliehen. Als ob es einem Volk möglich sein könnte, mehr verbrauchen zu wollen, als das gleiche Volk an realen Werten erzeugen kann oder zu erzeugen gewillt ist.“

Wer schlecht wirtschaftet in der EU hat nun Anspruch auf Hilfen! Diese werden z. T. unkontrolliert und ohne den Zwang zu notwendigen Reformen vergeben. Dass wirtschaftlich schwache Länder, wie Griechenland, Italien oder Spanien, ihre (zinslosen) Schulden je zurückzahlen werden, glauben nur unverbesserliche Optimisten.

Beschlossene Korona-Hilfen:

Ursprünglich 750 Milliarden EUR, davon 250 Milliarden als Kredit und 500 Milliarden geschenkt.

Einspruch der „sparsamen Vier“: Dänemark, Niederlande, Österreich, Schweden, später ergänzt durch Finnland.

In Hinterzimmergesprächen wurde durch Korruption eine Lösung gefunden:

Abschlag pro Jahr für:
Dänemark                           1.069 Millionen   ) zusammen
Die Niederlande                    300 Millionen    ) 1.797 Mio.
Österreich                              428 Millionen   ) pro Jahr

Entscheidung:
Es bleibt bei 750 Milliarden, davon 390 Milliarden als Kredit (für 2021-27), also „nur“ 360 statt 500 Milliarden geschenkt.

Hinzu kommt noch der Rekord-EU-Haushalt 2021-27 von 1.100 Milliarden EUR für 7 Jahre.

Hoffentlich wird der von Manchen befürchtete Nachschlag nicht auch noch erforderlich.

Die Zustimmung des EU-Parlaments steht noch aus. Ob dieses den Mut aufbringt, mehr als nur kosmetische Reparaturen zu verlangen?

Zum Vergleich:
Bundeshaushalt 2019 (in EUR):                326,4 Milliarden
Bruttoinlandsprodukt (BIP) BRD 2019:  3.440 Milliarden
Staatsschulden der BRD:             über     2.000 Milliarden[2]

Die versprochenen 750 Milliarden sind weit mehr als der doppelte (230 %) Bundeshaushalt 2019, oder deutlich mehr als ein Fünftel (21%) des deutschen Bruttoinlandsprodukts von 2019.

Die 360 Milliarden Geschenk sind immer noch deutlich mehr als der Bundeshaushalt 2019.

Hoffentlich sind unsere Freunde und Partner in der EU nicht der Meinung, dass die Deutschen schon alles zahlen werden!

Deutschland kann, nach der Ansicht von Politikern und regierungsfreundlichen Medien, alles gleichzeitig: Asylanten aufnehmen, die Corona-Krise abfangen, die Energiewende durchziehen als Vorbild für den Rest der Welt, den Euro und die EU retten!

Bei der Einführung des Euro und noch danach wurde immer wieder versichert, dass es keine gemeinschaftliche Haftung, keine Schulden- oder Transfer-Union geben würde.

„Der Euro wird so stabil wie die D-Mark“
versprach der Namensgeber des Euro, Finanzminister Theo Waigel, der für die Verhandlungen zur Einführung der Währungsunion verantwortlich war.
Nach noch nicht einmal 20 Jahren Euro ist das alles vergessen!

Nun kann die EU-Kommission Kredite aufnehmen, für die es noch keine Gegenfinanzierung gibt. In wie weit die geplanten neuen Steuern dafür ausreichen, wird sich zeigen. (2021 wird eine Plastiksteuer auf nicht recyclebares Plastik eingeführt. Spätestens 2023 sollen eine Digitalsteuer und eine CO2-Grenzsteuer folgen).

Der große Gewinner ist Frankreich, das seit der Einführung des Euro die Schulden-Union anstrebt, und besonders die überschuldeten Südländer.

Wie der Euro an Wert verliert zeigt sich am Goldpreis (pro Feinunze):
Bei Einführung des Euro 2001:        ca.        390 Euro
Juli 2020:                                           ca.     1.600 Euro
Ökonomen wie Günter Hannich haben diese Goldpreis-Explosion aufgrund des fehlkonstruierten Euros (und Dollars) vorhergesagt. (Unter http://www.spieltheorie.de/euro-soziales-dilemma/ zeigt Christian Rieck einfach und anschaulich, warum der EURO nicht funktionieren kann).

Ein paar Zahlen zur finanziellen Situation einiger wichtiger EU-Länder:
(Ohne Großbritannien das praktisch nicht mehr in der EU ist).

Staatsschulden in % des Bruttoinlandprodukts 2019 (sollten unter 60% sein):

Dänemark:               35,3

Deutschland:           63,9

Finnland:                 61,3

Frankreich:              98,5

Griechenland:        181,8

Italien:                    131,8

Niederlande:            49,1

Österreich                78,6

Polen:                       50,6

Portugal:                125,7

Schweden                40,8

Spanien:                   98,4 (laenderdateien.de)

Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien sind überschuldet und erwarten Hilfen. Aus eigener Kraft können diese kaum einen ausreichenden Beitrag zur Sanierung ihrer Länder leisten. Dringend notwendige Reformen werden aus innenpolitischen Gründen verweigert – so lange man von anderen (vor allem von Deutschland) erwartet, dass diese die Haushaltslöcher stopfen!

Vermögen pro Kopf 2019 in US$ eines

Dänen:                     58.748

Deutschen:              35.313

Finnen                     55.532

Franzosen:             101.942

Griechen:                 40.000

Italieners:                91.889

Niederländers;         31.057

Österreichers:          94.070

Polen;                      22.600

Portugiesen:            44.025

Schweden:               41.582

Spaniers:                  95.360 (https.de.wikipedia.org<Liste der Länder nach Vermögen pro Kopf>).

So viel zu dem in Presse und Politik laufend beschworenen „reichen“ Deutschland!

Nach Ansicht der Medien besteht das Vermögen der Deutschen zum großen Teil aus Ansprüchen auf Versicherungen, Sozialleistungen und sonstige staatliche Hilfen. Die hoffentlich in einigen Jahren noch gezahlt werden können.

Warum muss Deutschland die vermögenderen Franzosen, Griechen, Italiener, Portugiesen und Spanier unterstützen? Vermutlich damit diese nicht den Staatsbankrott erklären und aus dem Euro aussteigen müssen.

Durchschnitts-Einkommen (BIP : Einwohner) pro Jahr in EUR:

Dänemark:             56.490

Deutschland:         43.341

Finnland:               44.288

Frankreich             37.874

Griechenland:        18.151

Italien:                    30.782

Niederlande:          47.521

Österreich:             45.824

Polen:                    13.577

Portugal:                20.616

Schweden              49.879

Spanien:                27.146 (www.laenderdaten.info. durchschnittliches Einkommen weltweit).

Sozialleistungen in Prozent des BIP 2018:

Dänemark:             28,0

Deutschland:         25,1

Finnland                28,7

Frankreich:            31,2

Griechenland:        23,5

Italien:                   27,9

Niederlande:          16,7

Österreich:             26,6

Polen:                    21,1

Portugal:                22,6

Schweden:             26,1

Spanien:                23,7 (www.OECD.org.sozialleistungen in Prozent des BIP).

In der Europäischen Union fehlen noch immer eine gemeinsame Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik. Insbesondere für die Euro-Zone sind die Angleichungen von Arbeitszeiten, Gesetzen, Rentenalter, Sozialleistungen, Steuern usw. längst überfällig. Denn eine gemeinsame Währung verlangt gleiche wirtschaftliche Bedingungen.

Daher sind Vergleiche zwischen den einzelnen Staaten schwierig.

Z. B. müssen nach der Lesart unserer Presse die Südländer mehr Wohneigentum und damit ein höheres Vermögen besitzen, da die Mieten zu hoch sind. Auch legt man dort Geld zurück für Notzeiten, weil der Staat nicht so gut hilft wie in Deutschland.

Da die Deutschen das bevölkerungsmäßig größte Land sind und eines der höheren (nicht das höchste) Einkommen haben, sollen sie am meisten zahlen!

Fazit:
Der schleichende Übergang von der Marktwirtschaft zur staatlich gelenkten (sozialistischen?) Misswirtschaft hat europaweit begonnen. Reformen und Zukunftsinvestitionen bleiben aus oder werden zurückgestellt. Die EU wird im Weltmaßstab wirtschaftlich zurückfallen. Unsere Kinder und Enkel haben die Folgen dieser Politik zu tragen.

In der Bundesrepublik kennen wir den Länderfinanzausgleich, der es z. B. dem Stadtstaat Berlin erlaubte, auf Reformen zu verzichten und bei seiner Misswirtschaft und schlechten Verwaltung zu bleiben.

Nun sollen entsprechende Ausgleichszahlungen wohl europaweit erfolgen. Das sieht sogar „Der Spiegel“ so, der diesen Einschnitt in die europäische Finanzordnung selbstverständlich „politisch korrekt“ begrüßen muss:

„Aber de facto ist der erste Schritt zu einer Fiskalunion getan. Mit einer EU-Kommission, die zum Schatzamt wird und die eigene Digitalsteuern und andere Abgaben erheben darf. Denn irgendwie müssen die Anleihen ja wieder getilgt werden.

Es ist ein Tabubruch der dringend nötig war. Es kann nicht sein, dass sich in einer Union  einzelne Länder aus der Verantwortung stehlen und die Rettung des Kontinents den Zentralbanken überlassen.“
(„Der Spiegel“, Nr. 31, 2020, Seite 8.)

Die politische Propaganda und die regierungshörigen Medien ziehen alle Register, um uns die Brüsseler Entscheidungen schmackhaft zu machen und die damit verbundenen neuen Steuern als „alternativlos“ darzustellen. Die Bürger werden vielleicht murren, aber erst einmal brav zahlen.

Politiker glauben Zeit zu gewinnen, verspielen aber die Zukunft und gefährden die Demokratie.

Ist diese Entwicklung noch aufzuhalten?

Oder gehen wir sehenden Auges den Weg in die von den Links-Grünen propagierte (sozialistische) Staatswirtschaft, die bisher noch regelmäßig im Ruin geendet hat!

Nachträge 2020/23:
Auch in der Bundesrepublik Deutschland wird durch das Corona-Hilfsprogramm, wohl besonders im Hinblick auf das kommende Wahljahr, in leichtfertiger Weise Geld verschleudert:
„Deutschland wird durch diese Rettungspolitik nicht modern und nicht digital, nur arm.“   (Gabor Steingart in „Das Morning Briefing“ vom 11. 11. 2020.)

In Ähnlicher Weise verlängert die EZB ihr Anleihekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) bis Ende März 2022 und weitet die Anleihekäufe um weitere 500 Milliarden Euro aus. Durch die Entscheidung des EZB-Rats vergrößert sich das Volumen der Anleihekäufe auf 1,85 Billionen Das entspricht der 5-fachen Größe des 2019er Bundeshaushalts. (Gabor Steingart im „Morning Briefing“ vom 11. 12. 20).

„Dieser Systemwechsel von der sozialen Marktwirtschaft der 70er, 80er und 90er zum Interventionskapitalismus asiatischer Prägung ist der lautloseste Systemwechsel, den der Westen je erlebt hat. Wir müssen diese Koordinatenverschiebung vom Markt zum Staat nicht feiern, aber erkennen sollten wir sie schon.“ 
(Gabor Steingart im „Morning Briefing“ vom 3. 5. 2021).

Die Sozialausgaben der EU im internationalen Vergleich:
Anteile der EU nach „The Pioneer Hauptstadt-Briefing“ vom 2.5. 21:
An der Weltbevölkerung:                    ca.   6 %
Am Welt-Bruttosozialprodukt:            ca. 15 %
An den weltweiten Sozialausgeben:   ca.  50%

Die schon unter Angela Merkel eingeleitete Demokratische Selbstzerstörung Deutschlands, die durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise in dramatischer Weise beschleunigt wird, prangert Gabor Steingart in sieben beispielhaften Punkten an: „Do-it-your-self: Wie man einen Staat ruiniert“. Sein Fazit: „Für diese lustvolle Demontage brauchen wir keinen Putin, keinen Xi Jinping und die schweren Waffen von Anton Hofreiter schon gar nicht. Die Mecklenburger Philosophin und Prophetin Angela Merkel hatte immer schon an unsere Selbstzerstörungskräfte geglaubt: Wir schaffen das!“
(The Pioneer Briefing vom 2. 11. 2022).

Neuerdings ist bei unserer Regierung die „Freibier-Wirtschaft“ populär, die mit allen möglichen Geschenken (Tankrabatt, 9-Euro-Ticket, Gaspreisbremse, 49-Euro-Ticket und sonstigen „Entlastungen“) die Wähler ruhig stellen will. Wo bleibt der entsetzte Aufschrei der Marktwirtschaftler?
Deutliche Worte dazu von Hans Werner Sinn finden Sie im Pioneer Briefing vom 19. 11. 2022 unter „Was wir hier machen ist Harakiri“.

Inzwischen (2023) ist es durch den Ukraine-Krieg und die Inflation westlicher Währungen noch schlimmer gekommen als befürchtet. Der EURO ist zu einer Weichwährung geworden, und die Politiker der EU sehen in der galoppierenden Inflation eine Möglichkeit, ihre Staatsschulden zu verringern und gleichzeitig die Steuereinnahmen zu erhöhen.

Nun (Mai 2023) haben die Politiker in Europa und in den USA anscheinend jeden Maßstab verloren und öffnen den Weg in eine ruinöse Verschuldungspolitik, wie im „The Pioneer Briefing“ vom 12. 5. 2023 gezeigt wird: „Staatsfinanzen: Willkommen im Phantasieland“. 

(Lesen Sie zum Thema auch unter „Buchbesprechungen“ den Beitrag „Das globale Desaster“, unter „Gedenktage“ den Beitrag „Kapitulation“ zum 8. Mai 2005, unter „Okologie“ den Beitrag „Welche Apokalypse kommt?“ und den Beitrag „Früher war alles besser“ unter „Wirtschaft und Soziales“).

Quellen:
(1) Focus-online vom 21. 7. 2020.
(2) Spaet-Nachrichten vom 22. 7. 2020.
(3) Internet/Eurostat/EU-Kommission/OEC.
(4) „Ein gefährliches Spiel auf Zeit“, The Pioneer, „Beyond the Obvious“, vom 28. 7. 2020.
(5) Gabor Steingart, „Die unbequeme Wahrheit“, Penguin, 2020.
(6) Hans Werner Sinn, „Die wundersame Geldvermehrung“, Herder, 2021.

Endnoten:
[i] Von Nicolaus Copernicus (1473-1543) stammt eine andere monetäre Theorie: „Wird schlechtes Geld als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt, so wird gutes Geld aus dem Umlauf getrieben.”
Das einzige „gute Geld“ ist heute Gold bzw. andere Edelmetalle!
Wie sagte Schon der Bankier J. P Morgan (1837-1913): „Nur Gold ist Geld, alles andere ist Kredit.“
[2] Die gesamten Schulden von Bund, Ländern, Gemeinden usw. betrugen am 20. 6. 2021 EUR 2.252 Billionen (2.252.000 Milliarden) bzw. EUR 27.090 pro Kopf. (Statistisches Bundesamt).
Und im März 2023 waren es 2.406 Billionen bzw. ca. 28.600 pro Kopf (The Pioneer Briefing vom 4. 9. 2023),