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Merkwürdige Geschichten

Rätselhafte Goldmacher

Gold ist ein seltenes, unerhört faszinierendes Metall, das in so gut wie allen Weltkulturen höchste Wertschätzung genießt. In Afrika und im Alten Amerika ebenso wie in Europa, Indien, China und Japan. Kein Wunder, dass man es nicht nur mühsam explorieren wollte, sondern Mittel und Wege suchte, es künstlich herzustellen.

Alchemisten   

In dem Bemühen, die vielfachen Umwandlungen zu verstehen, die Stoffe natürlich oder künstlich verändern, verbrachten Alchemisten des Mittelalters und der Neuzeit einen großen Teil ihres Lebens in verräucherten Gewölben. Sie grübelten nächtelang über skurrilen Schriften, atmeten giftige Dämpfe ein (Quecksilber, Schwefel usw.) und ruinierten ihre Gesundheit. Doch eine zauberhafte Vorstellung lockte und ließ sie alle Bedenken vergessen: Goldmachen!

Ihre Gedanken und die Ergebnisse ihrer Experimente zeichneten Alchemisten in schwer nachvollziehbarer, symbolischer Weise auf, die uns heute wie ein Wust unsinniger Spekulationen erscheint, die kaum mehr jemand verstehen kann.

Die Grundlagen der alchemistischen Spekulationen lieferte eine Vielzahl von astrologischen, magischen, numerologischen, okkulten, religiösen Lehren, die zum Teil schon aus dem Altertum stammten. Etwa die Lehre von den vier Elementen, Feuer, Wasser Luft und Erde, aus denen sich die Materie zusammensetzt. So sollten z. B. Metalle aus Erde und Feuer bestehen. 

Praktische Erfahrungen schienen das zu bestätigen und legten eine durchaus einleuchtende Theorie nahe: Bei der Verhüttung entstehen aus Erde (Erz) und Feuer (glühende Holzkohle) Metalle. Warum  nur Kupfer, Eisen, Zinn usw.? Konnte man nicht zu Kupfer oder Blei noch Feuer hinzufügen und Gold gewinnen? Vielleicht fehlte nur das nötige „Agens“ (heute sagt man Katalysator), das den gewünschten Prozess anregt? Der „Rote Löwe“ oder der „Stein der Weisen“?

Die meisten Versuche, Gold zu erzeugen scheiterten.

Doch legten die Alchemisten Grundlagen für die Chemie: Sie entdeckten bislang unbekannte Stoffe (Kaliumkarbonat, Zinnoxid; Schwefeläther, Salzsäure, Phosphor und etliche mehr), entwickelten chemische Techniken (wie die Destillation), erfanden Laborgeräte, erkannten die Existenz von Gasen und erfanden das Porzellan (Johann Friedrich Böttger, 1682-1719).

Alchemistische Techniken brachten sogar einen neuen Beruf hervor: Den „Salpeterer“ (Salpetersieder).
Mit Fäkalien verunreinigter Boden wurde ausgegraben, mit Pottasche versetzt und ausgewaschen, wobei Kalziumkarbonat ausfiel. Es verblieb eine Kalisalpeter enthaltende Lösung, aus der sich durch Eindampfen und Umkristallisieren der für die Schießpulverherstellung wichtige Kalisalpeter gewinnen ließ. (7).

Chemie als Wissenschaft

Vom 17. Jahrhundert an entwickelte sich eine wissenschaftliche Chemie. Nun zählten nachweisbare Fakten.

Man erkannte, dass es chemische Elemente gibt (Robert Boyle, 1627-1691) und distanzierte sich von den okkulten und religiösen Spekulationen der Alchemisten.

Die Verbrennung wurde als Oxydation erkannt und das Gesetz von der Konstanz der Massen für chemische Reaktionen entdeckt (Antoine Laurent de Lavoisier, 1743-1794). Bald folgte eine moderne Atomtheorie (John Dalton, 1766-1844), die Entdeckung des Wasserstoffs als Basis für die Säureeigenschaft (Justus von Liebig, 1803-1873), das periodische System der Elemente (Dimitri Mendelejew 1834-1907), und eine Vielzahl weiterer Entdeckungen. Die Wege lagen offen zur wissenschaftlichen Chemie und schließlich zur Entwicklung der chemischen Industrie.

Für jeden Chemiker war nun selbstverständlich, dass Gold ein chemisches Element ist, das mit chemischen Mitteln nicht künstlich herstellbar sein kann.

Im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert erarbeitete sich Deutschland, z.B. durch die Ammoniak-Synthese (Fritz Haber, 1868-1934 und Carl Bosch, 1874-1940), eine führende Rolle in der Großchemie. 

Und ausgerechnet in Deutschland, einem bedeutenden Chemie-Land, konnte noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Alchemist und Goldmacher Aufsehen erregen!

Goldmacher im 20.Jahrhundert

Der geschickte Hochstapler Tausend

Fritz Seraph Tausend (1884-1942) wurde in den 1920er Jahren als Alchemist bekannt. Er behauptete frech, einen alten Alchemisten-Traum zu beherrschen und, durch die Transmutation der Elemente, Gold herstellen zu können.

1921 richtete er sich in Obermenzing bei München ein Laboratorium ein, und 1922 folgte seine Broschüre „180 Elemente, deren Atomgewicht und Eingliederung in das harmonisch-periodische System“.

Die moderne Chemie war aus seiner Sicht falsch. Metalle sah er als organische Stoffe, die bei richtiger Behandlung wie Pflanzen wachsen konnten. Außerdem experimentierte er mit allem Möglichen, von der Erzeugung von Nickellegierungen und Feinstahl bis zu Arzneien und Pflanzenschutzmitteln.

Leider war nichts davon brauchbar.

Erstaunlicherweise fand Fritz Tausend Unterstützer.

Zunächst Rudolf Rienhardt (1903-1975), einem Juristen mit engen Kontakten zur NSDAP und Mitbesitzer der Zeitung Völkischer Kurier.

Rienhardt konnte die Reichsregierung und vor allem Erich Ludendorff (1865-1937) auf Tausend aufmerksam machen. Im Ersten Weltkrieg war Ludendorff als „Erster Generalquartiermeister“ der wichtigste Mann neben dem Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934). Ludendorff lehnte die „Weimarer Republik“ ab und war am „Marsch auf die Feldherrnhalle“ („Hitler-Putsch“, 9. 11. 1923) beteiligt.

Mit Ludendorff als prominentem Aushängeschild wurde die “Tausend und Rienhardt G.m.b.H. zur Verwertung von Erfindungen“ gegründet, die schon nach wenigen Monaten, im Oktober 1924, umgewandelt wurde in die „Gesellschaft 164“.

Diese dubiose Gesellschaft fand schnell gut betuchte Unterstützer, vor allem aus Kreisen nationalistisch gesinnter Bürger, darunter prominente Namen wie Johann Wilhelm von Ecken, Adolf Held, Johann Küchenmeister, Alfred Mannesmann, Wilhelm Peter, Freiherr von Plattenberg, Richard von Schoeller, Erich Watrin und etliche mehr. (4).

Als Tausend Anfang 1925 lautstark verkündete, er könne Gold herstellen, wurde das Unternehmensziel die Produktion von Gold in der Größenordnung von Tonnen. Von den Gewinnen sollte Tausend fünf Prozent erhalten, der Löwenanteil zur Begleichung der – durch den „Vertag von Versailles“ dem Reich auferlegten – drückenden Reparationen dienen, und der Rest sollte zur Parteifinanzierung verwendet werden.

Als erfolgreicher Hochstapler konnte sich Tausend für einige Jahre ein luxuriöses Leben leisten, etliche Immobilien und eine Fabrikanlage kaufen.

Zur Goldproduktion kam es – wer wundert sich – nicht, denn Tausends Experimente erbrachten weder Gold noch sonst etwas Brauchbares. Im günstigsten Fall konnte er einige goldglänzende Kristalle vorweisen.

Als alles Geld verschwunden war, ausgegeben für Tausends Luxusleben und die Finanzierung der Hitler-Partei, wurde Tausend am 4. Juni 1929 verhaftet.

Die meisten seiner Geldgeber verzichteten auf eine Anklage. Fürchteten sie die Blamage? Oder war ihnen von Anfang an klar, dass es sich um einen Schwindel handelte, zur verkappten Finanzierung der Nazi-Partei?

Nach umfangreichen Ermittlungen kam es zum Betrugsprozess. Tausend blieb seiner Überzeugung treu, dass er Gold machen könne. Bei einem Kontrollexperiment im Münchner Hauptzollamt entstand sogar ganz überraschend etwas Gold aus Blei; die Goldfeder von Tausends Füllfederhalter?

Das Urteil vom 5. Februar 1931 lautete dann drei Jahre und acht Monate Haft.

Nicht viel für die veruntreuten Beträge, die auf 1,37 bis 2,5 Millionen Mark geschätzt werden. Tausend will nur 460.000 Mark erhalten haben; der Rest half wohl vor allem Hitlers Wahlkämpfe zu finanzieren.

Mit Tausend tut man sich leicht: Er war ein Hochstapler und Betrüger.

Aber es gab im Zeitalter der Großchemie noch weitere Goldmacher, deren Geschichte schwieriger zu beurteilen ist.

Der Alchemist Jaegerloh

Der folgende Bericht über eine Transmutation stammt von dem Hochschullehrer Will-Erich Peukert, einen kritischen Sachkenner. Peukert (1895-1969) lehrte 1932 – 1935 als Dozent an der Pädagogischen Akademie Breslau. Er verlor seine Lehrerlaubnis, als er die den Juden angelasteten Ritualmorde in Frage stellte.

Nach dem Krieg hatte er von 1946-1960 den Lehrstuhl für Volkskunde in Göttingen.

Sein Arbeitsgebiet war Geistesgeschichte und Volkskunde. Neben vielen Veröffentlichungen zum Volksglauben arbeitete er am „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ mit (herausgegeben von E. Hoffmann-Krayer und Hanns Bächtold-Stäubli, de Gruyter, Berlin, 1922-42).

“Ich weiß heute noch nicht, wo der Betrug gelegen hat. Blei, die Gefäße, alles hatte ich selbst gekauft, nicht aus der Hand gegeben; – ich habe selbst das Feuer angezündet, die Kohlen aufgelegt und Jaegerloh hat darüber gewartet, bis das Blei flüssig war. Dann hat er mir eine unendlich winzige Menge eines grauglänzenden fetten Pulvers gegeben; ich schüttete es in den Tiegel, das Blei fing an zu brodeln und zu schäumen, – allmählich dickte es. Ich zog es aus dem Feuer. Und es war Gold. Aus einem Tiegel voll Blei und einem zwanzigstel Gramm des Pulvers waren fast zehn Gramm Gold entstanden. Das übrige Metall hatte sich reinlich abgeschieden.

Das war am 17. Mai 1923 vormittags zwischen 11 und 12 Uhr in seiner Wohnung.

Als ich ihn fragte, aus was er arbeitete, aus welchen Grundstoffen seine Tinktur bestehe, hielt er mir eine lange Rede über den Einfluss des Himmels auf die Pflanzen und deren Signatur, – daß manche Pflanzen manchen Metallen entsprächen, und daß die Luft zur Reinigung in den Metallen wie in den Pflanzen herrsche. Zuletzt hat er dann die Lunaria genannt. Das ist ein Farn, der selten im Riesengebirge wächst, und das bereits im 17. Jahrhundert die Alchemisten gebrauchten[1].

Ich habe, wie gesagt, die Permutation des Bleis gesehen. Aber ich weiß nicht, wie sie geschehen konnte. Ich weiß nur, daß es unerklärlich ist. Man hat Berichte aus dem 17. Jahrhundert, die – wenn man überhaupt von einer historischen Glaubwürdigkeit sprechen will – dasselbe bezeugen. Und viele sind auch überzeugt, daß hie und da die Permutation geschah. Vielleicht ging hier dasselbe vor. Vielleicht hat Jaegerloh wahrhaftig einen Weg gefunden.

Ich bin dann später noch einmal zu ihm gegangen. Aber da war er schon gestorben, und eine Frau, die in dem selben Haus wohnte, konnte nur noch erzählen, daß er vor seinem Tode seine Geräte und Gläser und Öfen zerschlagen habe, so daß nichts als ein Scherbenhaufen geblieben ist. Die Bücher aber hat er verbrannt. Denn, sehen Sie, meinte die Frau, er war ein Heimlicher, er hatte sich verschworen. Und solche dürfen nichts verraten. Was sie nicht selber zerschlagen, zerschlägt der Böse, wenn er sie holt. Wenn der nicht so Einer gewesen wäre, wie hätte er dann Gold machen können?“
(2, Seite 130 f.).

Diese Erzählung klingt wie aus einem mittelalterlichen Wunderbuch abgeschrieben. Aber sie stammt von einem Wissenschaftler, dem seine Wahrheitsliebe im Dritten Reich seinen Job kostete! (8).

Ein Goldmacher im französischen Fernsehen 

Eine weitere, ebenso rätselhafte Geschichte finden Sie unter „Die dunkle Seite der Aufklärung, Teil 5“ im Kasten „Der Mann, der niemals stirbt – live im französischen Fernsehen“.

Fazit

Die Sehnsucht nach dem Goldmachen und anderen Wundern ist nicht erloschen, auch wenn heutzutage Börsenspekulationen aussichtsreicher scheinen, wenn man an das schnelle Geld kommen will.

Kalte Fusion, Magnetmotoren, Neutrinoenergie, Orgonenergie, Raumenergie, Skalarwellen, Tachyonenenergie, Transmutation der Elemente, der Wassermotor: Fast beliebig viele alternative oder esoterische – nach dem heutigen Wissensstand unmögliche – Ansätze lassen sich in den Medien finden.  

Alles Irrtum oder Schwindel?

Oder hat unser bestens fundiertes, geschlossenes wissenschaftliches Weltbild seine Grenzen oder große Lücken?

Gibt es womöglich einen ganz anderen Zugang zum Naturverständnis?

Nicht über streng logisches Verstandesdenken, sondern auf intuitiven Wegen, aus dem innersten Empfinden, das durch den alles dominierenden Verstand blockiert wird?  

Antworten auf diese Fragen muss jeder selbst finden.

Lesen Sie dazu unter „Buchbesprechungen“ auch „Newtons Koffer“.

Endnoten:

[1] Die „Mondviole“ (lunaria rediviva) hat silberglänzende Schoten und soll daher nach okkulten Entsprechungen spirituelle Beziehungen zum Silber, vielleicht auch zum Gold haben.

Literatur:

(1) Bischof, Marco: „Tachyonen, Orgonenergie, Skalarwellen“, AT Verlag, Aarau, 2002.

(2) Hagl, Siegfried: „Spreu und Weizen“, Gralsverlag, Purgstall, 2003. 

(3) Nieper, Hans A.: „Revolution in Technik, Medizin, Gesellschaft“, Illmer-Verlag, Hannover, 1983.

(4) Wikipedia: „Franz Tausend“.

(5) Wikipedia: „Geschichte der Chemie“.

(6) Wikipedia: „Rudolf Rienhardt“.

(7) Wikipedia: „Salpetersieder“.

(8) Wikipedia „Will-Erich Peukert“.

(10) ZDF: Terra X „Der große Bluff – Meisterbetrüger“, gesendet am 15. 01. 2022.