(Veröffentlicht in Gralswelt 27/2003)
Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, gilt Nordamerika als die führende Weltmacht, und amerikanische Ideale dienen vielen Menschen als Vorbild. Der Werdegang der „Vereinigten Staaten von Amerika“ scheint dabei geschichtlich weitestgehend aufgearbeitet: Man weiß, wie blutig der Kampf um die „Neue Welt“ einst geführt wurde, und man bedauert das Schicksal der ursprünglich rund 25 Millionen amerikanischer Ureinwohner, deren bemerkenswerte Kultur im Laufe weniger Jahrhunderte nahezu vollständig zerstört wurde.
Nach ihrer grausamen Vernichtung erfreute sich die indianische Welt, vom 20. Jahrhundert an, zunehmender Beliebtheit. Unzählige Romane und Filme idealisierten den Wagemut, die Naturverbundenheit, die Tapferkeit oder den Ehrbegriff einzelner Stämme, und (angebliche) Berichte über bedeutende indianische Weissagungen gingen um die Welt.
Viele der Schilderungen über das, was sich im „Wilden Westen“ zugetragen hatte, blieben jedoch an der Oberfläche und wurden dem Schicksal der „Indianer“ (diese Bezeichnung geht auf die irrige Meinung des Kolumbus zurück, der in ihnen „Bewohner Indiens“ zu erkennen glaubte) nicht annähernd gerecht.
Für die siebenteilige GralsWelt-Serie „Das war der Wilde Westen“ hat sich Siegfried Hagl intensiv mit der indianischen Kultur und der Geschichte Nordamerikas beschäftigt und die wichtigsten Schauplätze dieser Geschichte im Verlauf mehrerer, längerer Reisen durch die USA erfahren können.
Lassen Sie sich in der Folge in das Innere dieses Landes führen und erfahren Sie mehr über das folgenschwere Aufeinanderprallen von „roter“ und „weißer“ Gesinnung.
Die Eroberung der Neuen Welt
Wenn wir vom „Wilden Westen“ sprechen, denken wir vielleicht besonders an Sioux (Dakota) Indianer, die im 19. Jahrhundert auf schnellen Mustangs über die Prärie galoppierten, und, wenn sie nicht gerade Büffel jagten, auf Cowboys schossen, Wagenzüge oder gar Eisenbahnen angriffen.
Diese Prärieindianerkultur war allerdings eine kurzlebige Folge des Eindringens der Weißen, denn Pferde kamen erst mit den Spaniern nach Amerika. Nach einem Aufstand der Puebloindianer (1680-1682), die Santa Fee eroberten und niederbrannten, entkamen viele Pferde; der Grundstock für die Mustangherden, die später auf den Großen Ebenen (Great Plains) grasten, so dass sich Indianer beritten machen konnten.
Die vielen Indianerstämme waren sehr verschieden, hatten unterschiedliche Sprachen und Kulturen. Man spricht von „fünfhundert indianischen Nationen“ allein in Nordamerika. Eine ganz grobe Einteilung müsste zumindest unterscheiden zwischen den „Waldindianern“ im Osten, den „Prärieindianern“ auf den Großen Ebenen und den „Puebloindianern“ im Südwesten. Wir werden hier diese grobe Zusammenfassung benützen, um diese Arbeit nicht mit zu vielen Details zu überfrachten.
Lange bevor Goldsucher und Siedler über die Flüsse Mississippi und Missouri nach Westen strömten, und Eisenbahnen gebaut wurden, welche die Ost- mit der Westküste verbanden (die Themen der meisten Indianerfilme), waren europäische Zivilisation und indianische Steinzeitkultur schon vielfach aufeinander geprallt.
Diese Auseinandersetzungen, lange vor dem amerikanischen Bürgerkrieg, waren für die Geschichte der Indianer wie für die Geschichte Nordamerikas wichtiger als die letzten Verzweiflungskämpfe auf den Großen Ebenen, im Felsengebirge (Rocky Mountains), oder in Neu-Mexiko.
Wir wollen mit dieser GralsWelt-Serie einen Überblick über die Geschichte des „Wilden Westens“ geben, in der die höher entwickelte Zivilisation gewann, während die untergegangene Kultur, seinerzeit als minderwertig abgetan, erst posthum Verherrlichung fand. Im Vordergrund stehen dabei die Indianer, denen man erst im 20. Jahrhundert erlaubte, sich an die weiße Kultur anzupassen oder diese zu übernehmen. Doch da waren die „Roten“ längst dezimiert, verdrängt, verzweifelt, und ihre Kultur war zerstört.
Die Weißen kommen
Spanier und Portugiesen erhoben als erste Anspruch auf die „Neue Welt“. Ihr Interesse konzentrierte sich auf Mittel- und Südamerika, das zum großen Teil erobert war, bevor sich erste Siedler in Nordamerika niederließen.
Die von unglaublichem Eroberungsdrang getriebenen Spanier hatten sich gleich nach seiner Entdeckung durch Ponce de Leon im Jahr 1513 in Florida niedergelassen, große Teile des „Westens“[1] durchstreift (Coronado 1540-42), den Grand Canyon und den Mississippi entdeckt und 1605 Santa Fee erobert.
Für Mitteleuropäer wurde der Weg nach dem noch weitgehend unbekannten Nordamerika erst frei, als 1588 die spanische Armada vernichtet war, und sich nicht mehr nur Seeräuber und Abenteurer auf den Nordatlantik wagten. Nun entstanden an der nordamerikanischen Ostküste verschiedene, von einander isolierte Niederlassungen der Franzosen, Engländer, Holländer, die jeweils riesige Gebiete für sich beanspruchten.
Alle Indianerstämme hatten fast von Anfang an Probleme mit den Weißen, deren verschiedene Gruppen und Nationalitäten sich gegenseitig bekämpften; gemeinsam war allen Weißen nur das Verlangen nach Land. Die Stämme an der Ostküste hatten die Neuankömmlinge zunächst willkommen geheißen und ihnen geholfen.
Bald mussten sie jedoch entdecken, dass sie, wenn sie eine Gruppe der Weißen unterstützten, in Opposition zu den anderen gerieten. Gleich welche Seite sie wählten, es war immer Indianerland, das ihnen verloren und in den Besitz der Weißen überging.
Aus den unterschiedlichsten Anlässen kam es zu Kriegen zwischen Indianern und Weißen. Die primitive Bewaffnung der Stämme konnte den Angriffen mit moderneren Waffen nicht standhalten. Indianer, die in diesen Kämpfen nicht ums Leben kamen, wurden von Krankheiten heimgesucht, gegen die sie keine Immunität aufgebaut hatten: Masern, Keuchhusten, Pocken, Windpocken, Typhus und Cholera.
Trotz dieser Leiden kämpften einige Stammesmitglieder weiter für ihr Territorium. Sie wurden überwunden, gefangen genommen und auf Schiffen nach Westindien gebracht, wo man sie als Sklaven verkaufte. Das war zur gleichen Zeit, als auch die ersten schwarzen Sklaven nach Nordamerika kamen (1619 auf einem holländischen Schiff, das in Jamestown anlegte. In der Karibik hatten Spanier schon 1510 mit dem Import von Negersklaven begonnen, als Ersatz für die auf manchen Inseln bereits fast ausgerotteten Ureinwohner).
Handel bringt Wandel
Bei der Erforschung Nordamerikas waren zunächst die Franzosen voraus. Schon zwölf Jahre nach Kolumbus erster Reise begannen bretonische Fischer vor Neuschottland Kabeljau zu fangen. Sie drangen auch ins Inland vor, und fanden heraus, dass man bei den Indianern wertvolles Pelzwerk gegen Eisenwaren eintauschen konnte.
Dieser lukrative Handel fand die Unterstützung der französischen Krone, und ab 1603 wurde ein französisches Kolonialreich aufgebaut. Abenteuerlustige Franzosen waren die ersten Pelzjäger, Fallensteller (Trapper), Waldläufer, Pelzhändler im Norden Amerikas. Diese „Voyageurs“ drangen bis zu den großen Seen vor, gründeten Niederlassungen und missionierten.
Ab 1632 tauften die „Black Robes“ (Jesuiten in ihrem schwarzen Habit) schon Konvertiten[2] unter den Stämmen westlich des Oberen Sees (Lake Superior), mehr als ein Jahrhundert bevor die britischen Kolonisten sichere Kunde vom Land jenseits der Appalachen hatten.
In einer abenteuerlichen Reise fuhr René Robert de La Salle 1681 bis 1682 den Mississippi hinab. Die Franzosen beanspruchten damit ein riesiges Gebiet vom Sankt-Lorenz-Golf über die Großen Seen und den Mississippi entlang bis zum Golf von Mexiko mit der Stadt New Orleans als Kolonie „Louisiana“ (am Mississippi) bzw. „Neufrankreich“ (Kanada).
Das Kalumet
Von besonderer Bedeutung bei indianischen Zeremonien war das „Kalumet“. Es bestand aus dem Pfeifenkopf und dem – zeremoniell bedeutsameren – meist hölzernen Pfeifenrohr.
Der Pfeifenkopf konnte aus verschiedenen Materialien bestehen: Holz, Stein, Knochen, Metall. Zu diesem Zweck am begehrtesten war ein in den „heiligen Brüchen“ gebrochenes weiches Sedimentgestein (Catlinit, Härte 2,5 nach Mohs) aus in Millionen von Jahren zusammengebackenem Ton. Die rötliche Schicht von nur einigen Zentimetern Dicke ist eingebettet in weit dickere Schichten aus hartem Quarzit (Härte 7,5), so dass der Abbau mit einfachem Werkzeug mühsam ist.
Der wichtigste Steinbruch lag in Minnesota bei dem heutigen Ort Pipestone (ca. 25 Meilen, etwa 40 km, nördlich der I-90 bei Sioux Falls). Jahrhundertlang gewannen Indianer diesen Pfeifenstein, der als wichtiges Handelsgut bis nach Mittelamerika kam. Im 18. Jahrhundert erlangten die Sioux die Kontrolle über diesen „heiligen Ort“, an dem Friedenspflicht für alle galt.
Verschiedene Legenden berichten, dass die Verwendung des Pfeifensteins ursprünglich auf Weisung einer überirdischen Erscheinung zurückgeht.
Das Kalumet hatte bei so gut wie allen Indianern Nordamerikas, von Kanada bis Mittelamerika, rituelle Bedeutung, wenn auch die Formen der Rituale von Stamm zu Stamm verschieden waren. Geraucht wurde „Kinnikinnik“ (der, der gemischt ist), eine Mischung aus Tabak (den viele Indianerstämme anbauten), Rinde von Roterlen, rotem Hartriegel, roter Weide und weiteren Pflanzenbestandteilen. Kinnikinnik hat eine leicht berauschende Wirkung, und der Gebrauch des Kalumets sollte u. a. Verbindungen zu höheren Kräften oder Wesen herstellen.
Die Brüche von Pipestone sind heute ein „National Monument“, das man besichtigen kann. Indianer haben das Recht, den weichen Stein mit ähnlichen Methoden wie vor Jahrhunderten abzubauen und Pfeifen herzustellen, die an Touristen verkauft werden.
Literatur: Murray, Robert A. „Pipes on the Plains“, National Park Service, Washington, 1993.
Wegen ihrer Bereitschaft zu engen Kontakten mit den Eingeborenen und häufigen Heiraten mit indianischen Frauen kamen die Franzosen meist gut mit den Indianern zurecht. Gelegentliche Irritationen dauerten nicht lange. Die Indianer hatten erkannt, dass sie, aus der Steinzeit herausgerissen und plötzlich mit modernen Gerätschaften versorgt (stählerne Messer, Beile und Kochkessel, Feuerwaffen und Munition, Gewebe, Farben, Decken, Alkohol usw.), von diesen Handelsgütern, die ihnen die Franzosen brachten, abhängig wurden.
Schwierigkeiten gab es mit den selbstbewussten Irokesen, den berühmten „Fünf Nationen“. Deren demokratische Stammesordnung wurde bemerkenswerterweise später Vorbild für die amerikanische Union. In Unkenntnis der Verhältnisse hatten französische Händler ihre ersten Kontakte mit Algonquin (Algonkin) und Huronen aufgenommen und damit Feinde der Irokesen mit Feuerwaffen ausgerüstet. Seitdem waren die Irokesen den Franzosen feindlich gesinnt und versuchten sie mit Hilfe der Holländer zu vertreiben. Im Jahre 1665 mussten Truppen aus Frankreich der Kolonie zu Hilfe eilen. Die Irokesen wurden zerschlagen, ihre Dörfer und Felder niedergebrannt. (Lesen Sie dazu in „Kurz, knapp, kurios“ Seite 265 „Ein Prophet in Nordamerika“).
Engländer in der Neuen Welt
Nicht so gut wie die Franzosen kamen die Siedlungen in Neuengland, an der Ostküste, mit den Indianern zurecht. Ausnahme waren die Quäker, deren Friedfertigkeit von den Indianern honoriert wurde. Über die ersten Kontakte mit Engländern schreibt ein Indianer folgendes:
„Die ersten Erfahrungen, die die Algonkin mit Engländern machten, zeigten ganz genau, welcher Art diese weißhäutigen Raubmenschen waren: Als die Indianer den ersten Seeräuber (Sir Humphrey Gilbert, 1584) mit seinen Kolonisten freundlich aufnahmen, ihnen Mais, Tabak und Bohnen gaben und ihnen zeigten, wie man sie pflanzte, bedankten sie sich, als sie einen Zinnbecher vermissten, damit, dass sie einige Indianer töteten. Den zweiten Seeräuber (Sir Walter Raleigh) und seine weißen Kolonisten nahmen sie wieder freundlich auf, versorgten sie mit Nahrung und Fleisch und halfen ihnen dabei, ihre ,Roanoke Island‘-Kolonie zu bauen. Dann fand ein Indianer-Häuptling ein Stück Zinnblech, das an einen Baum genagelt war und seltsame Zeichen trug (engl. Königswappen). Er nahm es ab, um sich daraus einen Pfeifenkopf zu machen. Sie schlugen den alten Häuptling nieder und verurteilten ihn wegen Unehrenhaftigkeit und Missachtung des englischen Königs zum Tode. Sie hingen ihn am Ast einer Lebenseiche auf und dankten Gott dafür, dass er ihnen diese Tat ermöglicht hatte, wie sie diesem Gott dankbar waren, wenn sie töten wollten und getötet hatten. Die Indianer nahmen ihnen allen das Leben und verbrannten ihre Häuser.“
(Flying Hawk, Oglalla-Sioux; 4, S. 70).
Auch die Kolonisten, die 1607 in der Chesapeake Bay landeten und Virginien mit Jamestown (nahe dem heutigen Williamsburg) gründeten, mussten aufgrund ihres arroganten Auftretens bald gegen Indianer kämpfen.
Dann war es der legendären Häuptlingstochter „Pocahontas“ (1596-1617) vom Stamme der Powhatan zu verdanken, dass es einige friedlichere Jahre gab. Der Gouverneur von Jamestown hatte sie rauben lassen, doch sie verliebte sich in einen Engländer, der sie heiratete. Sie kam mit ihrem Mann nach London, wurde als „Indianerprinzessin“ anerkannt und von Königin Elisabeth empfangen. Mit 21 Jahren starb Pocahontas in London an den Pocken.
Nach dem Tod ihres Vaters entschloss sich dessen Nachfolger Opechancanough, die dauernden Reibereien mit den Weißen zu beenden.
Der erste große Indianerkrieg
Im März 1622 begann der erste große Indianerkrieg. Von 80 Siedlungen der Engländer wurden 72 zerstört, von mehr als 4.000 Kolonisten blieben 347 am Leben. Dann machten die Indianer einen entscheidenden „Fehler“: Anstatt auch die überlebenden Kolonisten zu töten, begnügten sie sich mit dem Sieg und beendeten die Kämpfe. Als Häuptling Opechancanough einer Einladung zu Friedensgesprächen folgte – weil ein Indianer auch den Unterlegenen Respekt schuldet -, fielen die Weißen über die Indianer her, töteten den größten Teil von ihnen, und er selbst konnte nur mit knapper Not entkommen.
Erst nach 22 Jahren, als Neunzigjähriger, konnte er die Weißen erneut angreifen. Er fügte ihnen im Krieg von 1644 schwere Verluste zu, wurde aber schließlich gefangengenommen und erschossen.
Indianische Kriegstaktik
In den Krieg zu ziehen war in vielen Indianerstämmen Tradition, fast ein „sportliches Abenteuer“. Ein Indianer gewann vor allem als erfolgreicher Krieger (ausnahmsweise auch als Schamane oder Redner) Ansehen und Einfluss. Denn die Felder – ein Besitz, der Prestige bedeutet – gehörten in der Regel den Frauen, die sie auch bestellten. In vielen Stämmen, wie bei den Irokesen, wählten Frauen auch den Häuptling. So waren die Betätigungen der Männer vor allem Jagd und Krieg.
Die indianische Kriegsführung war der Überraschungsangriff, „hit and run“ (treffe und verschwinde), der nicht unbedingt dem Gegner große Verluste zufügen sollte. Wurden Pferde erbeutet oder Gefangene gemacht (die meist in den eigenen Stamm aufgenommen wurden), dann war der Überfall ein Erfolg, der kriegerischen Ruhm brachte.
Ein Mutbeweis besonderer Art war das Berühren eines Feindes, „Coup“ genannt, auch ohne diesen zu verletzen; bei einem bewaffneten Feind war das alles andere als ungefährlich.
Kriegerische Leistungen wurden sichtbar dokumentiert; zum Beispiel durch Adlerfedern, an deren Zuschnitt und Bemalung der Kundige die Taten des Trägers ablesen konnte. Häuptlinge trugen einen Büffelmantel mit Abbildungen ihrer Erfolge.
Langwierige Belagerungen, Ausharren unter Beschuss, oder Standhalten bei einem geschlossenen Sturmangriff war ihre Sache nicht. Nur Tecumseh brachte seine Indianer so weit, dass sie einem Bajonettangriff mit einem koordinierten Pfeilhagel antworteten, der die Attacke der Armeesoldaten zusammenbrechen ließ. (2, S. 424).
Nach einem verlorenen Gefecht fiel es Indianern schwer, den Kampf fortzusetzen. Selbst wenn sie in einer Schlacht kurz vor einem Sieg standen, zogen sie sich zurück, wenn zu viele Tote und Verwundete zu beklagen waren. Nach einem größeren Erfolg brachten sie ihre Beute stolz nach Hause, um den Sieg zu feiern, ohne sich um den Ausgang des Krieges zu kümmern. Für weiße Truppen waren sie schwer einschätzbar. Sofern die Kommandeure nicht auf den Rat von Indianerkennern hörten, waren die als Späher und im Dschungelkampf versierten Indianer nur unzuverlässige Verbündete.
Dieses Verhalten erklärt sich zum Teil dadurch, dass sich die kleinen Indianervölker große Menschenverluste nicht erlauben konnten; jeder einzelne Krieger, jedes Stammesmitglied war für das Überleben der Gruppe wichtig. Weiße Generale hatten weniger Scheu vor verlustreichen Kampagnen und setzten ihre Truppen manchmal feindlichem Feuer rigoros aus. In nicht wenigen Fällen konnten sie dadurch schwierige Lagen wenden.
Im Kampf gegen reguläre Soldaten waren Indianer in der Regel nur erfolgreich, wenn sie den Gegner überraschend angreifen oder in eine Falle locken konnten. Eine typische indianische Falle gab es bei dem „Vettermann-Massaker“ am 21. Dezember 1866 (sofern Indianer geschlagen wurden und es viele Tote gab, war das in den Augen der Weißen ein „Sieg“; wenn Indianer Erfolg hatten, nannte man das ein „Massaker“):
Captain William J. Vettermann sollte von Fort Phil Kearny*) aus einer angegriffenen Gruppe von Holzfällern zu Hilfe eilen. Die Kavalleristen trieben die Indianer zurück und ließen sich, entgegen ausdrücklichem Befehl, dazu verleiten, die fliehenden Indianer zu verfolgen. Prompt gerieten sie in einen Hinterhalt, in dem zweitausend Sioux, Cheyenne und Arapaho, angeführt von dem berühmten „Crazy Horse“(ca. 1840 – 1877), warteten. Keiner der 81 Soldaten überlebte. Diese Niederlage trug dazu bei, dass die Regierung Fort Kearny und weitere 2 Forts räumen ließ.
Fußnote:
*) Heute eine „National Historic Landmark“ an der I-90 (Exit 44), zwischen Sheridan und Buffalo (Wyoming).
Literatur:
(1) Dillon, Richard H.: „Indianerkriege“, Lechner, Limassol (Cypern), 1994.
(2) Steuben, Fritz: „Großer Häuptling Tecumseh“, Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart, 1966.
In den ersten „Indianerkriegen“ zeigte sich schon eine verhängnisvolle Schwäche des indianischen Verhaltens, die den Indianern auch später immer wieder zum Unglück wurde: Sie konnten oder wollten eine Auseinandersetzung nicht unter allen Umständen bis zum Ende durchstehen und waren dadurch gegenüber den rücksichtsloseren Weißen benachteiligt. Ein Indianer erklärt diese Verhaltensweise folgendermaßen:
„Indianer glauben nicht an ein Leben nach dem Tode, sondern dass der körperliche Tod der Übergang in eine andere Dimension des Lebens sei. Deshalb konnte kein Indianer in den Kampf gehen, ohne sich nicht vorher mit der Möglichkeit dieses Überganges vertraut zu machen. Das geschah in langen, rituellen Tänzen, in denen er sich auch mit den Gegnern, die er eventuell töten würde, mit den Pferden, die er töten müsste, versöhnte. Häufig dauerten diese Vorbereitungen bis zur totalen körperlichen Erschöpfung. Alsdann legte man die prächtigste Regalia an, die man besaß, denn der Lebensgeist des Leders, der Felle, der Adler- und Truthahnfedern, der Muscheln und des Holzes, die Geister derer, deren Trophäen man bei sich trug, das Holz des Sattels, die Sehnen der Tiere, mit denen die Bögen bespannt waren – alles dies war als nützlicher Teil von Lebendigem vom und für den Träger bewahrt, hatte ihn begleitet und gehörte mit allen vorherigen Versöhnlichkeitsritualen zum Träger, wie seine Augen, seine Hände, oder seine Gedanken.
Deshalb waren Indianer nahezu unfähig, einem plötzlichen Angriff mit sofortigem, konzentrierten Handeln zu begegnen. Es gelang ihnen deshalb auch nicht, sich auf einen spontanen Angriff mit Leib und Seele einzustellen. Wenn es irgendwie möglich war, zogen sie sich zurück, um sich vorzubereiten. Und wie bei den Tieren der Wildnis, ließ ein Indianer vom Gegner, der aufgab, ab. Er kannte nur den Augenblickssieg, nicht den Vernichtungswillen der Weißen. Die Weißen aber ruhten sich vor einem Kampf aus und waren, wenn er ausbrach, in bester körperlicher Verfassung. Sie konnten spontan, von einer Sekunde zur anderen, den Entschluss fassen, einen Menschen zu töten und dies dann sofort mit der ganzen Kraft ihres Leibes und Geistes tun. Der Tod eines Menschen, das Töten selbst, war für sie etwas Gleichgültiges, ja beinahe so etwas wie ein Spiel. Einen Menschen nicht zu töten, fiel ihnen viel schwerer, als irgendetwas sonst. Und wenn sie kämpften, so war ihnen eine Niederlage des Gegners nicht genug, und sie hetzten den Geschwächten, bis sie den letzten Menschen getötet hatten. So wurden die meisten ihrer Siege zur Vernichtung, so gewannen sie selbst nach verlorenen Schlachten dennoch alle Kriege gegen Indianer.“
(Der Cherokee Jess Moshulotubbe, 4, S. 73).
So gaben die Indianer von Anfang an dem Druck der ihnen technologisch und psychisch überlegenen Weißen nach. Zuerst wurden die Stämme der Küste, zum Beispiel Delawaren, Pekhot, Powhatan, ganz oder teilweise ausgerottet und ins Hinterland vertrieben. Mit den dort lebenden Stämmen mussten sie sich friedlich einigen oder neue Siedlungsgebiete erobern.
Bald begannen alle Indianer des Ostens diesen Druck zu spüren und sich Sorgen um ihre Zukunft zu machen.
Fortsetzung „Das war der wilde Westen“ Teil 2.
Lesen Sie dazu auch unter „Religionsgeschichte“ den Beitrag „Die Religion der nordamerikanischen Indianer„.
Endnoten:
[1] Unter dem „Westen“ verstand man im 18. Jahrhundert das Land westlich der Appalachen, im 19. Jahrhundert das Land westlich des Mississippi.
[2] Konvertit = jemand, der zu einem anderen Glauben übergetreten ist.
Literatur:
(1) Cooke, Alistair „Geschichte Amerikas“, Pawlak, Herrsching, 1975.
(2) Eckert, Allan W. „That Dark and Bloody River“, Bantam, New York, 1995.
(3) Josephy, Alvin „500 Nations“, Frededing & Thaler, München, 1996
(4) Stammel, H.J. „Indianer“, Bertelsmann, Gütersloh, 1977.