(Veröffentlicht in GralsWelt 37/2005)
Zum 25. September 2005:
Vor 450 Jahren wurde der „Augsburger Religionsfriede“ verkündet – ein erster Schritt zu einer religiösen Toleranz, um die wir heute nach wie vor ringen.
Von Historikern werden verschiedene wichtige Daten genannt, die den Beginn der Neuzeit kennzeichnen: Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken (1453), die Reise des Columbus nach Mittelamerika im Jahre 1492 oder Martins Luthers 95 Thesen von 1517.
Ein weiteres, den Beginn der Neuzeit kennzeichnendes Ereignis wird im allgemeinen weniger beachtet: Vor genau 450 Jahren, am 25. September 1555, wurde nach langwierigen, zähen Verhandlungen der „Augsburger Religionsfriede“ verkündet. Ein erster Schritt zu religiöser Toleranz, die wir bis heute noch immer nicht weltweit uneingeschränkt verwirklicht haben.
Es war eine Pattsituation: Die gesellschaftlichen Gruppen waren zerstritten – Reichsstände und Kirchen kämpften mit Uneinigkeit innerhalb der eigenen Reihen, die bis zum offenen Verrat gingen. Die „Rebellen in der Kirche“ – Reformatoren wie Martin Luther (1483-1546), Johann Calvin (1509-1564) oder Ulrich Zwingli (1484-1531) – hatten mit ihren Lehren neue Tatsachen geschaffen: Die religiöse Einheit war zerbrochen, das mittelalterliche Reich mit dem „geistlichen Schwert“ der Kirche bzw. des Papstes und dem „irdischen Schwert“ des Kaisers, bestand nicht mehr.
Diesen Fakten musste man sich beugen. Und so erkannte der Reichstag, die Versammlung der Kurfürsten, Fürsten und Reichsstädte, neben der katholischen nun auch die protestantische Religion an.
Gleichzeitig wollte man nicht zwei Religionen nebeneinander in der selben Stadt dulden. Doch wer seiner Religion wegen in eine andere Stadt umsiedeln wollte, dem sollte sein Umzug und der Verkauf seines Besitzes ungehindert gestattet sein: Ein erster, zögerlicher Schritt also in Richtung religiöser Freiheit!
Damit war die bisherige, aus dem Mittelalter stammende Ketzer-Gesetzgebung überholt, und die katholische Kirche sah ihren Alleinvertretungsanspruch nachhaltig in Frage gestellt.
Die religiöse Unduldsamkeit unter den Menschen, bei Katholiken wie Protestanten, war allerdings noch in vollem Schwange. Der „Augsburger Kompromiss“ war eine halbherzige Vereinbarung, mit dem keine Partei zufrieden war – vielleicht aber auch das Äußerste, was damals politisch durchsetzbar war.
Die unbefriedigende Vereinbarung konnte daher nicht verhindern, dass ein Menschenalter später die politischen und religiösen Spannungen in einem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) eskalierten, der zwar schreckliche Zerstörungen, aber noch immer keine geistige Freiheit brachte.
Auch danach, im Zeitalter der Aufklärung, musste noch lange erbittert um religiöse Toleranz gerungen werden.
Und diese Toleranz, die auch im globalen Ausmaß nötig wäre, ist selbst in unserer Gegenwart noch nicht uneingeschränkt verwirklicht.
Was wir für einen nachhaltigen Religionsfrieden brauchen, ist Mut zu geistiger Freiheit bei uns selbst, und den Mut, diese Freiheit anderen zu gewähren. Nicht was jemand glaubt, sondern wie er sich verhält, muss das Kriterium für die Grenzen unserer Toleranz sein.
Literatur:
(1) Hammer Wolfgang, Wir haben doch nur einen Herrgott, Evang. Presseverband f. Bayern, München 1955.
(2) Kinder Hermann/Hilgemann Werner, dtv-Atlas zur Weltgeschichte, München 2000.
(3) Pfeiffer Gerhard, Der Augsburger Religionsfriede und die Reichsstädte, Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, 61. Band, 1955.
(4) Simon Matthias, Der Augsburger Religionsfriede, Evang.-Luth. Gesamtkirchenverwaltung, Augsburg 1955.