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Wissenschaft

Ein konstruiertes Universum?

(Veröffentlicht in GralsWelt 40/2006)

In der GralsWelt 32/28 haben wir unter der Überschrift „Der Urknall als Gottesbeweis“ (unter „Wissenschaft“), vom anthropischen Prinzip gesprochen und auch erwähnt, dass manche natürlichen Prozesse die Vorstellung nahe legen, dass hinter den vielfältigen Formen der Natur eine umfassendere Leitlinie zu erwarten ist; dass der Zufall als Entwicklungsprinzip – also der darwinistische Ansatz von Mutation und Selektion – nicht ausreichen kann, die Entwicklung des Universums oder des Lebens auf der Erde zu verstehen.

„Heute ist man sich ziemlich einig darüber und auf der physikalischen Seite der Wissenschaft nahezu völlig einig, dass der Wissensstrom auf eine nicht mechanische Wirklichkeit zufließt; das Weltall sieht allmählich eher wie ein großer Gedanke als wie eine große Maschine aus.“
Der englische Mathematiker, Physiker und Astronom Sir James Jeans (1877-1946).

Die Welt – intelligent konstruiert?
Aus solchen Überlegungen hat sich ein wissenschaftlicher Streit entwickelt, in dem sich zwei Lager gegenübersehen:

Auf der einen Seite die Vertreter der Theorie des „Intelligent Design“ (ID), auf der anderen Seite die Mehrzahl der wissenschaftlichen Autoritäten, die nach wie vor am neo-darwinistischen Entwicklungsmodell als einziger plausibler Erklärung für die Entwicklung des Lebens festhalten.

Die Theorie des „Intelligent Design“ wird z.B. in den USA vom „Discovery Institute“ (DI) publiziert. Es betont, dass es nicht religiös gebunden, und weder der Bibel noch dem Kreationismus verpflichtet sei.
Nach Aussage dieses Institutes

„beinhaltet die Theorie des Intelligent Design dass verschiedene Eigenschaften des Universums und von Lebewesen am besten durch eine intelligente Ursache zu erklären sind, nicht durch indirekte Prozesse wie die natürliche Selektion“(6).

Zur Evolution wird gesagt:

„Wenn man unter Evolution ‚Veränderung im Lauf der Zeit‘ versteht, oder sogar, dass Lebewesen von gemeinsamen Vorfahren abstammen, dann gibt es keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen der Evolutionstheorie und der ‚Intelligent Design‘ Theorie. Die dominierende Theorie der Evolution ist heute der Neo-Darwinismus, der sagt, dass die Evolution durch natürliche Selektion und zufällige Mutationen zustande kommt; ein zweckloser Prozess ohne eine bestimmte Richtung oder ein Ziel…Es ist diese spezifische Forderung des Neo-Darwinismus, der die ‚Intelligent Design‘ Theorie widerspricht.“ (7).

Die Argumente der Vertreter des „Intelligent Design“ werden von christlichen Fundamentalisten teilweise übernommen, die nach wie vor an der biblischen Schöpfungsgeschichte als zuverlässiger Quelle festhalten, und z. B. eine Änderung der Lehrpläne staatlicher Schulen fordern.

In den USA hat diese Auseinandersetzung ein beachtliches Maß erreicht. Konservative Parteien unterstützen die Bibelgläubigen, in einzelnen Staaten darf die darwinsche Entwicklungslehre nicht mehr uneingeschränkt gelehrt werden, und Schulbuchverlage machen sich Sorgen, wie sie in ihren Büchern dieses Thema umgehen oder zumindest entschärfen können. Man fühlt sich fast zurückversetzt in das Jahr 1925, als es zu dem berüchtigten Scopes-Prozess kam, in dem ein Lehrer verurteilt wurde, der die darwinschen Prinzipien lehrte.

Unerwartete, vermutlich unerwünschte Verbündete in dieser Neuauflage des Kampfes zwischen Wissenschaft und Buchreligion finden bibelgläubige Christen in anti-evolutionistischen Bewegungen fundamentalistischer Muslime, die den darwinistischen Ansatz ebenfalls verwerfen.

Was spricht für die Theorie des „Intelligent Design“?
Michael Behe, Professor für Biochemie der Leigh Universität, hat dazu den Begriff „irreductible complex“ (nicht reduzierbar komplex) geprägt. Er versteht darunter

„ein einzelnes System von verschiedenen, auf einander abgestimmten und mit einander in Wechselwirkung stehenden Teilen, die zu der grundlegenden Funktion beitragen, wobei die Entfernung eines dieser Teile dazu führt, dass das System nicht mehr funktionieren kann“.

Um diesen Gedanken auch für Laien zu verdeutlichen, zeigt er am Beispiel einer Mausefalle, dass selbst dieses einfache Gerät nur funktioniert, wenn alle Bauteile aufeinander abgestimmt und in der richtigen Weise montiert sind. Schon der Ausfall oder die unzureichende Ausführung eines einzigen Teiles beeinträchtigt die Funktion und macht die ganze Konstruktion nutzlos.

Wenn schon in einem so simplen Gerät wie einer Mausefalle alle Teile genau zusammenpassen müssen, wie vielmehr doch wohl die unzähligen, weitaus komplexeren Funktionen, die schon im einfachsten Lebewesen exakt auf einander eingespielt ablaufen?

Behe weist darauf hin, dass Darwin noch nichts von Biochemie wissen konnte, und bringt Beispiele aus seinem Fachgebiet, wie die menschliche Blutgerinnung, die nicht aus Blutgerinnungssystemen einfacherer Art entstanden sein kann, oder das Cilium (haarähnliche Strukturen an der Zelloberfläche für den Stoffwechsel), und dergl. (1 und 5).
Dabei ist sich Behe sehr wohl bewusst, dass

„der Beweis, dass ein System unreduzierbar komplex ist, noch nicht belegt, dass es keinesfalls auf schrittweisen, allmählichen Wegen entstanden sein kann. Obwohl ein unreduzierbar komplexes System nicht direkt entstehen kann, ist doch die Möglichkeit einer indirekten, weitläufigen Entstehung nicht auszuschließen.
Wenn jedoch die Komplexität eines wechselwirkenden Systems zunimmt, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines indirekten Weges abgrundtief. Und da die Anzahl der noch unerklärten, nicht reduzierbar komplexen Systeme zunimmt, liegt unser Vertrauen, dass Darwins Kriterien ausreichen, himmelweit über dem Maximum das die Naturwissenschaften erlauben.“ (5).

Behes Fazit lautet:

„Für eine Person, die sich nicht verpflichtet fühlt, ihre Forschung auf nicht-intelligente Ursachen zu beschränken, ist die naheliegendste Schlussfolgerung, dass viele biochemische Systeme konstruiert sind…Die Annahme des ‚Intelligent Design‘ ergibt sich ganz natürlich aus den Messergebnissen selbst, kommt nicht aus heiligen Büchern oder sektiererischen Glaubenssätzen. Die Schlussfolgerung, dass biochemische Systeme durch eine intelligent wirkende Kraft entworfen sein müssen, ist ein alltäglicher Vorgang, der keine neuen Prinzipien der Logik oder der Naturwissenschaften verlangt. Sie kommt ganz einfach durch die harte Arbeit der Biochemiker während der zurückliegenden vierzig Jahre, zusammen mit der Betrachtung der Methode, mit der wir jeden Tag zu konstruktiven Lösungen kommen“. (5).

Die Darwinisten geben sich nicht geschlagen
Mit seiner Schlussfolgerung verstößt Behe gegen den „Paragraph 1″ der „naturwissenschaftlichen Glaubenssätze“, der strikt fordert, dass keine „außerwissenschaftlichen“, „immateriellen“, also keine nicht mit wissenschaftlichen Mitteln nachweisbaren Ursachen Berücksichtigung finden dürfen.

Daher wird auch die Theorie des „Intelligent Design“ kaum als wissenschaftliche Theorie Anerkennung finden, da es unmöglich scheint, sie zu beweisen oder zu widerlegen. Anders als Darwins Evolutionstheorie, für die man viele Beweise gesammelt hat, die belegen, dass Mutation und Selektion in der belebten Natur vorkommen und zumindest für kleine Variationen von Lebewesen verantwortlich sind.

Evolutionisten, wie der Biologe Kenneth Miller von der Brown Universität lehnen die Theorie der „intelligenten Konstruktionen“ dementsprechend entschieden ab und versuchen, die von Behe angeführten Beispiele zu widerlegen. Es handelt sich dabei um komplizierte biochemische Betrachtungen, die vor allem Fachleuten zugänglich sind.
So kommt Miller zu der Ansicht, dass die von Behe als Beweise für die Theorie des „Intelligent Design“ angeführten biologischen Systeme sehr wohl aus Teilsystemen zusammengesetzt sind, die auf evolutionistischen Wegen entstanden sein können. Die Natur würde dann diese Subsysteme zu Systemen höherer Ordnung zusammenfügen, auf eine Weise, die durch den neo-darwinistischen Ansatz hinreichend erklärt sei. (3 u. 8).

Konstruktion oder Funktion ?
Vorerst scheint die wissenschaftliche Auseinandersetzung um die Theorie des „Intelligent Design“ noch unentschieden, zumal es bislang nur Außenseiter sind, die sich zu dieser Betrachtungsweise bekennen. Die Unterstützung durch religiöse Fundamentalisten und Sektierer dürfte es diesen Forschern eher erschweren, mit ihren Vorstellungen durchzudringen.

Beide Gruppen – Evolutionisten wie Vertreter des ID – sehen die Wunder des Lebens. Auf die Frage, wie diese Wunder entstanden sein mögen, liefern sie allerdings unterschiedliche Antworten:

Die Theorie des „Intelligent Design“ geht davon aus, dass etwas konstruiert werden musste (Mausefalle), das eine bestimmte Funktion erfüllen sollte. Im Vordergrund steht hier das Konstruieren, das nach allgemeiner Erfahrung ein intelligentes Wesen, einen Konstrukteur, in letzter Konsequenz wohl einen Schöpfer erfordert.

Für Darwinisten darf es dagegen keinen „Konstrukteur“ des Universums geben. Sie erkennen zwar auch die Notwenigkeit einer bestimmten Funktion (z.B. Blutgerinnung), nehmen aber an, dass im Laufe der Evolution bereits entwickelte Bausteine sich „von selbst“ so zusammenfügten, dass sie in der Lage waren, die erforderliche Funktion zu erfüllen, oder sich die Funktion anschließend „ergab“. Dass dabei eine uns unbekannte Intelligenz fördernd mitwirkt, gilt aufgrund der herrschenden wissenschaftlichen Doktrin als so unwahrscheinlich, dass man diesen Gedanken von vornherein ablehnt.

Bleibt die vorläufig unbeantwortbare Frage: Gab (und gibt) es Entwicklungsziele? Oder entstand alles rein zufällig von selbst – wie Darwinisten glauben – und die Bedingungen, mit denen die Evolution des Lebens zurechtkommen musste, waren einzig und allein die Gesetze der Physik und die (im Laufe der Entwicklungsgeschichte sich wandelnde) Umwelt auf unserem Planeten?

Der ersehnte Gottesbeweis
Vermutlich eignet sich keine dieser Betrachtungsweisen für einen (positiven oder negativen) Gottesbeweis.

Im 19. Jahrhundert wurde in erbitterten Auseinandersetzungen immer wieder auf Wissenslücken im naturwissenschaftlichen Weltbild hingewiesen, um so die Notwendigkeit oder Richtigkeit des religiösen Glaubens zu belegen. Dann musste man einsehen, dass sich Wissenslücken schließen lassen.

Als dann der Spielraum für religiöse Wunder immer enger wurde, kam das Wort von der „Wohnungsnot Gottes“ auf, und schließlich setzte sich die Überzeugung weitgehend durch, dass es einen „naturwissenschaftlichen Gottesbeweis“ nicht gibt und möglicherweise nie geben wird. Der „Schöpfer des Himmels und der Erde“ ist zu gewaltig, scheint zu weit entfernt von unseren Vorstellungen und unserem Denken, als dass wir sein Wirken mit wissenschaftlichen Methoden beweisen oder widerlegen könnten.


Lesen Sie dazu auch unter „Religionsgeschichte“ den Beitrag „Gibt es Gott?“  

Literatur:
(1) Behe, Michael J., Darwins Black Box, Free Press, 1996
(2) Der Focus Nr. 35, vom 23. 8. 2004.
(3) Miller, Kenneth R., Finding Darwins God, Harper-Collins, 1999.
(4) http://udel.edu/~mcdonald/mousetrap.html.
(5) http://www.arn.org/behe/mb_dbb.htm.
(6) http://www.discovery.org.
(7) http://www.discovery.org/ecs/topQuestions.phb.
(8) http://www.millerandlevine.com/km/cv/index/html.