(Veröffentlicht in GralsWelt 32/2004)
Die Welt ist voller Wunder, im Größten wie im Kleinsten.
Eines dieser Wunder – also etwas, das wir nicht erklären können – ist das feine Zusammenspiel, die exakt ausgewogene Abstimmung der Naturgesetze. Diese mussten genau so, durften keinesfalls geringfügig anders sein, damit Sonnen, Planeten, Pflanzen, Tiere, Menschen in unserem Universum entstehen konnten.
Fragen wir nach den Grund der Dinge, so gibt es verschiedene Wege auf der Suche nach Antworten:
„Gottes Geist sind die Gesetze der Natur.“
Stephen Hawking
Die Theologen haben es leicht: Ihre Frage lautet „Warum gibt es etwas?“. Und die Antwort ist: „Weil Gott entschieden hat, dass etwas sein soll!“
Damit weichen die Theologen der Fragenbeantwortung aus, weil sie wissen, dass es auf solche grundlegenden Fragen keine Antwort aus menschlicher Sicht, allenfalls Aufschluss durch Offenbarungen, geben kann.
Naturwissenschaftler machen es sich schwerer. Sie erkennen zwar, dass es sinnlos ist nach dem „Warum“ zu fragen, aber dafür fragen sie „wann“, „wo“, „wie“ und suchen plausible Erklärungen. Dabei hat sich gezeigt, dass z.B. die Astrophysik zwar die Existenz des Schöpfers weder beweisen noch widerlegen kann, doch dass der Gottbegriff mit den Erkenntnissen der modernen Physik verträglich ist.
Kräfte, die die Welt beherrschen
Vier Grundkräfte halten (nach derzeitigem Wissen) die stoffliche Welt zusammen:
* Die Starke Wechselwirkung bindet Kernbausteine an einander. Ihre Reichweite ist sehr gering, ihre Kraft gewaltig.
* Die Schwache Wechselwirkung mit extrem kurzer Reichweite, die vor allem bei subatomaren Teilchen (z.B. Quarks, Neutrinos, Leptonen) von Einfluss ist. Sie ist nur schwer nachzuweisen, da sie von der starken und der elektromagnetischen Wechselwirkung überdeckt wird.
* Die Elektromagnetische Wechselwirkung, die bei geladenen Teilchen wichtig ist. Ihre Reichweite ist theoretisch unendlich, doch wird ihre Fernwirkung bald durch andere geladene Teilchen abgeschirmt.
* Die auf den ersten Blick nur schwache Gravitation mit (theoretisch) unendlicher Reichweite, die Himmelskörper zusammenhält und auf ihre Bahnen zwingt.
Ein Universum, das Leben und Bewusstsein hervorbringen soll, ist angewiesen auf eine unvorstellbar präzise Feinabstimmung dieser Grundkräfte. Wären Naturkräfte, oder Ladung, oder die Masse von Kernbausteinen nur geringfügig anders, dann gäbe es das Universum nicht, das wir kennen:
Eine etwas größere Gravitation z.B. hätte die Ausdehnung des Alls zu sehr gebremst, alle Materie wäre längst in einem Schwarzen Loch versunken. Eine etwas geringere Gravitation aber hätte die Bildung von Sternen mit Planetensystemen verhindert, da alle Materie zu schnell in den Raum entwichen wäre.
Von Beginn des Universums an, schon im „Urknall“ (big bang) war die Abstimmung von Kräften, Massen und Ladungen so fein, dass Wissenschaftler dieses Gleichgewicht mit einem Bleistift vergleichen, der auf der Spitze balanciert. Bei der Gravitation als Beispiel hätte eine Abweichung von einem Tausendstel Milliardstel (=einem Billionstel) vom tatsächlichen Wert genügt, und ein gänzlich anderer Kosmos wäre entstanden (5).
Es gibt noch unzählige weitere „Wunder“ auf dem Weg zur Entstehung des Lebens (6); z.B. die Bildung der für alles Leben grundlegenden Kohlenstoffatome im Inneren von Sonnen.
Der Erforscher dieser Kernfusion, Sir Fred Hoyle (1915-2001) sagte:
„Nichts hat meinen Atheismus so sehr erschüttert wie diese Entdeckung“ (5).
So betrachtet ist der viel zitierte „big bang“ keine glückliche Bezeichnung; die schon im Urknall fein abgestimmten Naturgesetze sprechen eher für Begriffe wie „Ur-Akkord“ oder „Ur-Harmonie“.
Das anthropische Prinzip
Von den ersten Sekunden der Bildung des Weltalls bis heute gab und gibt es unzählige Ereignisse, die in ganz bestimmter Weise ablaufen mussten, damit schließlich Wesen entstehen konnten, die über ihre Existenz und deren Sinn nachdenken.
Also ist die extrem genaue Auswahl der Naturgesetze kein Zufall, sondern Ausdruck des Schöpferwillens? Vielleicht sogar ein physikalischer „Gottesbeweis“?
Denn nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen wirkt das Weltall geradezu „konstruiert“, also zweckgerichtet, einem Schöpfungsplan folgend.
Das wäre das Gegenteil von dem in den Naturwissenschaften sonst als selbstverständlich angenommenen „Spiel des Zufalls“, das alle teleologischen (zielgerichteten) Einflüsse auf die natürliche Entwicklung ablehnt.
Physiker sind zurückhaltend mit einer anthropozentrischen (Mensch als Mittelpunkt) Sichtweise, die den Menschen „als Ziel des Universums“ nahe legt, diskutieren aber das anthropische Prinzip, das ganz bestimmte Voraussetzung als notwendig erkennt, damit Leben, speziell intelligentes Leben möglich wurde.
Das schwache anthropische Prinzip sagt, unser Universum sei so beschaffen, dass Beobachter (denkende Wesen) hervorgebracht werden können (4). Anhänger dieses Prinzips sind z.B. der Meinung, dass es beliebig viele Universen geben könne. Sind die Naturkonstanten in einem Universum anderes als in dem einzigen uns zugänglichen, dann gibt es dort eben kein Leben, keine Menschen, niemand der sich über diese Welt Gedanken machen könnte. In unserem Universum sind die Bedingungen eben (durch Zufall?) exakt so, dass sich denkende, grübelnde Wesen entwickeln konnten.
Auf die Frage „warum ist unser Kosmos so und nicht anders“ gibt es die einfache Antwort: „Weil es sonst uns nicht gäbe“, in der man auch einen Zirkelschluss sehen kann:
„Weil es uns gibt, muss der Kosmos so sein, wie er ist…“
Das starke anthropische Prinzip besagt, dass ganz bestimmte Bedingungen die Geschichte des Universum genau so ablaufen ließen, wie wir sie kennen, damit (zwangsläufig) höheres Leben entstehen konnte (4).
Demnach läge dem Kosmos ein Konstruktionsprinzip zu Grunde. Denn schon durch geringfügigste Abweichungen der einen oder anderen Naturkonstante wäre ein grundlegend anderes Universum entstanden, das jenseits unserer Vorstellung liegt und in dem es kein sich selbst bewusstes Leben geben könnte.
Die Frage, wer Naturkräfte und Naturkonstanten so präzise auf einander abgestimmt hat bleibt offen, denn das ist eine religiöse, keine wissenschaftliche Frage.
„Wir können das Universum als eine in einem Geheimcode abgefasste Nachricht begreifen, als eine Art kosmischer Hieroglyphe, die wir gerade erst zu entschlüsseln beginnen. Wer hat diese Nachricht abgefasst? Wenn uns das Rätsel dieses kosmischen Codes von seinem Urheber aufgenötigt worden ist – bilden unsere Entzifferungsbemühungen dann nicht eine Art Muster, so etwas wie in einem immer klarer werdenden Spiegel, in dem der Urheber der Nachricht die Erkenntnis erneuert, die er von sich selbst hat?“
Jean Guitton, franz. Philosoph (vgl. 5)„Lee Smolin hat unter der Voraussetzung, dass sich die Naturkonstanten mehr oder weniger frei wählen lassen, berechnet, mit welcher Wahrscheinlichkeit unser Universum existieren würde, und er kommt auf den irrwitzig kleinen Wert von 1:10 hoch 229. Ehe Sie sich diese Zahl vorzustellen suchen, schlage ich Ihnen vor, sich zunächst die ungefähre Anzahl aller Protonen im beobachtbaren Universum vorzustellen: Ich nehme an, Sie scheitern schon bei diesen läppischen 10 hoch 80 Stück. Die Wahrscheinlichkeit im Lotto zu gewinnen liegt übrigens bei 1:13.983.816, also deutlich besser als 1:10 hoch 8.“
Nach Dr. Manzel: „Das Evangelium der Naturwissenschaften“ (vgl. 5).
Begegnet die Wissenschaft dem Gotteswillen?
Unsere exakten Wissenschaften haben in den vergangenen Jahrhunderten einen interessanten Weg zurückgelegt: Durch die Uneinsichtigkeit der Theologen in die Opposition gedrängt, verschrieben sich viele Wissenschaftler dem Kampf gegen den Aberglauben, und damit auch der Entlarvung unhaltbarer kirchlicher Lehren.
Eine unüberbrückbar scheinende Kluft zwischen Wissenschaft und Glauben tat sich auf.
Mit zunehmendem Wissensstand werden die letzten Erkenntnisse immer transzendenter, die physikalischen Beobachtungen immer irrealer, Physik und Metaphysik beginnen sich zu berühren.
Das ist nicht weiter verwunderlich. Denn zwischen dem Irdischen und dem Transzendenten, zwischen Diesseits und Jenseits, gibt es keine Grenze. Es sind die durch unsere Sinne bzw. die Grenzen der physikalischen Messmöglichkeiten gegebenen Einschränkungen, die diese Bereiche als getrennt erscheinen lassen.
Am Übergangsfeld zwischen Physik und Metaphysik ist das anthropische Prinzip angesiedelt. Es handelt sich um keine streng wissenschaftliche Theorie, da es nicht bewiesen oder widerlegt werden kann; doch es regt zum Nachdenken, vielleicht zur Gottsuche an.
Der theoretische Physiker Paul Davies:
„Es mag seltsam klingen, aber nach meiner Ansicht bietet die Naturwissenschaft einen sichereren Zugang zu Gott als die Religion“ (2, S. 15).
Den alten Vatergott der Theologen des Mittelalters werden die Forscher im Universum nicht finden.
Dafür begegnen sie dem Wirken eines allmächtigen Schöpfers, der seinen Willen in der Form lebendiger Gesetze im Weltenall verankert hat. Diese Natur- oder Schöpfungsgesetze sprechen Seine Sprache und lassen Seinen schöpferischen Willen erahnen.
Lesen Sie dazu auch unter „Religionsgeschichte“ den Beitrag „Gibt es Gott?“ und unter „Wissenschaft“ den Beitrag „Ein konstruiertes Universum?“.
LITERATUR:
(1) Breuer, Reinhard: „Das anthropische Prinzip“, Meyster, Wien 1981.
(2) Davis, Paul: „Gott und die moderne Physik“, Goldmann, München, 1989.
(3) Guitton, Jean/Bogdanov, Grichka und Igor: „Gott und die Wissenschaft“, DTV, München 1993.
(4) http;//www.cip.physik.uni-muenchen.de/+zimmermann/dl/anthrprinz.html.
(5) http://www.klawi.de/anthr.p.htm#Anker1anthr.p.
(6) http://members.taunusstein.net/.
(7) http://members.aol.com/denkbar/Astronomie.html#Anthrop.