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Religionsgeschichte

Religionen der Antike IX: Die Manichäer

(Veröffentlicht in GralsWelt 41/2006)

DER  KAMPF ZWISCHEN  LICHT  UND  FINSTERNIS

Vor etwa drei Jahrtausenden verbreitete sich, von Persien ausgehend, eine neue religiöse Idee: Es war die Vorstellung vom Kampf der Kräfte des Guten gegen die Mächte der Finsternis, vom dem – so weit wir wissen – als erster der persische Religionsgründer Zarathustra (griech. Zoroaster) gesprochen hat. Seither hat diese Kündung des Zarathustra das religiöse Empfinden unzähliger Menschen geprägt und viele Religionen beeinflusst, darunter das Christentum.

Bis heute sprechen z.B. Chiliasten[1] unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse vom bevorstehenden Endkampf des Lichtes gegen die Finsternis und erwarten das Harmageddon (Armageddon) für die nähere Zukunft. Selbst politische Entscheidungen bleiben von dieser Erwartungshaltung nicht immer unbeeinflusst.

In diesem Zusammenhang wird oft von „manichäischen Vorstellungen“ oder vom „Manichäertum“ gesprochen, was für uns der Anlass ist, auf die manichäische Religion einzugehen, die von Religionswissenschaftlern als die vielleicht typischste Ausprägung der Gnosis angesehen wird.

MANI,  MANES,  MANICHÄUS  (216-276)
Der im südlichen Babylon geborene Religionsstifter wuchs in einer jüdisch-christlichen Sekte auf. Im Alter von 12 und von 24 Jahren hatte er Berufungsvisionen, in denen ihm ein überirdisches Wesen Einblicke in die Zusammenhänge der Welt vermittelte.

Mani löste sich daraufhin von seiner Sekte und verbreitete seine Lehre vom „Vater der Größe“ und dessen Dienern (den „Aiones“), die im Gegensatz zum „Vater der Finsternis“ mit seinen Anhängern (den „Archonten“) stehen. Er predigte und missionierte in Indien und Persien.

Der Perserkönig Schapur I. (242-273) förderte Mani, der allerdings bei dessen Nachfolger Bahram I. (274-277) in Ungnade fiel. Auf Betreiben zoroastrischer Priester wurde Mani in Persien der Magie angeklagt und starb im Gefängnis.

Mani sah sich als Glied in einer Kette von Propheten, die immer wieder auf die Erde gelangen, der Menschheit Offenbarungen bringen, und zur Erlösung aus spiritueller Finsternis verhelfen: z.B. Abraham, Zoroaster, Buddha, Jesus, Mani…

In typisch gnostische Weise war auch bei Mani die Erkenntnis (Gnosis) die Voraussetzung für die Erlösung, nicht wie bei vielen Christen „allein der Glaube“.
Später verstanden sich Manichäer als die „wahren Christen“, die in der Tradition des „Lichtapostels“ Christus stehen, dessen Werk von Mani vollendet wurde.
Mani betonte, „dass er als einziger der Religionsstifter die Wahrheiten unverschlüsselt und ohne in Gleichnissen zu reden in eigenen Schriften niedergeschrieben habe. Daher sei seine Religion die einzige, die nicht durch falsches Verständnis verfälscht werden könne.“ (6).

Er stiftete eine neue Religion, die alle älteren Religionen zusammenfassen sollte, und schrieb sein theologisches System selbst nieder. Er sagte:

„Die Schriften und die Weisheit und die Apokalypsen und die Parabeln und die Psalmen von allen früheren Kirchen haben sich in allen Orten versammelt und sind hinzugekommen zu meiner Kirche und haben sich hinzugesellt zu der Weisheit, die ich offenbart habe. Wie ein Wasser sich hinzugesellen wird zu einem anderen Wasser und sie zu vielen Gewässern werden, so auch haben sich die alten Bücher meinen Schriften hinzugesellt und sind eine große Weisheit geworden, derengleichen nicht verkündet worden ist unter allen alten Geschlechtern.“ (6).

Um Manis Leben ranken sich viele Legenden. So soll er von einer Jungfrau geboren worden sein, hatte als Gefolgschaft angeblich zwölf Jünger und trieb Dämonen aus. Sein Märtyrer-Tod im Gefängnis wird von seinen Anhängern symbolisch als „Kreuzigung“ gedeutet.

Mani hat umfangreiche Schriften hinterlassen, die an verschiedenen Fundstellen zum großen Teil gesichert werden konnten. Bis heute sind sie nur teilweise entziffert und übersetzt. Mani ist also einer der wenigen Religionsstifter der Antike, deren Schriften zum großen Teil, zumindest fragmentarisch, erhalten sind; dennoch sind sie (außerhalb der Religionswissenschaft) weitgehend unbekannt geblieben.

DER  MANICHÄISMUS
Eine Grundfrage für jeden religiösen Menschen ist die Frage nach dem Ursprung des Bösen. Viele Religionen haben sich entweder für ein dualistisches oder ein monistisches Weltbild entschieden. Für polytheistische Religionen ist dieser Unterschied oft nicht entscheidend; für Monotheisten aber kann es eigentlich nur einen Gott geben, der gut, vollkommen, allmächtig ist. Dann allerdings drängt sich die Frage auf, wie ein guter und allmächtiger Gott das Böse zulassen kann; oder hat er es vielleicht sogar selbst erschaffen?

Die Antwort ist dann z.B., dass ein abgefallener Engel das Böse in die Welt brachte. Nach der Vorstellung mancher Gnostiker ist es ein Bruder von Jesus, der fehlging, oder dem Unrecht getan wurde. (Vgl. 1, S. 55).

Seit Urzeiten finden sich im Zoroastrismus, im Zervanismus, in der Gnosis verschiedene Erklärungen, die in der Regel davon ausgehen, dass in der Welt ein „gefallener Engel“ oder ein „böser Gott“ herrscht, von dem die irdische Welt erlöst werden muss.

Mani lehrte einen extremen Dualismus, ähnlich wie Marcion (85-ca. 140). Demnach gab es von Anfang an zwei gegensätzliche Prinzipien: Den „guten, großen Vater, der im Lichtland wohnt“, und den „Fürst der Finsternis, der in der Finsternis wohnt“. Letzterer ist nach Ansicht mancher Gnostiker kein anderer als Jahwe, der Gott des Alten Testamentes.

Die Schöpfung der Welt und des Menschen geschah, als die Finsternis das Licht angriff. In dem Kampf zwischen Licht und Finsternis geriet Lichtsubstanz in die Dunkelheit und vermischte sich mit ihr. Zum endgültigen Sieg des Lichtes muss diese Lichtsubstanz vom Dunkel getrennt und in die Lichtwelt zurückgeleitet werden.
Der Mensch ist demnach ein Wesen, das einen materiellen, vom Dunkel geschaffenen Körper, und einen Lichtkern besitzt. Diesen Lichtkern gilt es zu befreien. Dazu helfen Gesandte aus dem Lichtreich, Einsicht (Gnosis), weltabgewendetes Streben und Askese.

Ähnlich wie später die Katharer, waren auch die Manichäer in zwei Klassen geteilt: Die Elekti (Auserwählten) und die Katechumen (Laien). Die Auserwählten hatten keinen Besitz, lebten streng zölibatär und vegetarisch, tranken keinen Alkohol, arbeiteten nicht und widmeten sich ausschließlich dem Gebet und der Belehrung (6). Die radikale Verwerfung alles Fleischlichen als Werk des Bösen gab dem Manichäismus extrem puritanische Züge.

Manichäer sahen die Entwicklung der Welt in drei Stufen: Die Zeit des Anfanges, in der die beiden Prinzipien (Licht und Finsternis) getrennt waren; die Zeit der Vermischung; und die dritte Zeit, in der der Anfangszustand wieder hergestellt ist. Der Mensch, der in der finsteren, materiellen Welt einen Hort des Lichtes darstellt, soll in der Zeit der Vermischung zur Trennung der beiden Prinzipien beitragen. Dazu verhilft ihm strenge Askese, damit seine (Licht-)Seele den Kreislauf der Wiedergeburt durchbrechen und sich wieder mit dem Göttlichen (von dem es einst ausgegangen ist) vereinen kann.

Viele, teils komplizierte Mythen ranken sich um die Vermischung von Licht und Dunkel, die Entstehung des Menschen, und den Vorgang der Auseinandersetzung zwischen Licht und Dunkel. Da die Manichäer offen waren für andere religiöse Lehren, entwickelte sich ihre Religion in unterschiedlichen Regionen verschieden: Nicht nur christliches Gedankengut, auch jüdische, buddhistische usw. Ideen drangen in das Manichäertum ein.

Im 4. Jahrhundert ist dieses Religionsverständnis in Rom, Dalmatien, Gallien, Spanien, Nordafrika, Ägypten nachweisbar. Die Lehren Manis breiteten sich bis nach China aus, und im 8. Jahrhundert wurde der Manichäismus im Reich der Uiguren sogar zur Staatsreligion, so dass man wegen dieser Ausbreitung über weite Teile der damals bekannten Welt vom Manichäertum als Weltreligion spricht. Verfolgungen durch Christen, Muslime, Buddhisten, verdrängten den Manichäismus, der bis zum 14. Jahrhundert fast ganz verschwand.

WIRKUNG  UND  BEDEUTUNG
Verschiedene spätantike religiöse Bewegungen, die sich mit christlichen Gedanken vermischten, ihren Ursprung jedoch in vorchristlichen Zeiten haben, werden zusammenfassend als Gnosis bezeichnet. Die Gnosis war relativ frei und undogmatisch, nahm aber in ihrer typischsten und am weitesten verbreiteten Ausprägung bei den Manichäern die konkrete Form einer kodifizierten Religion an.

Viele der gnostischen oder manichäischen Gedanken sind in das Christentum eingedrungen. Der Prolog des Johannes-Evangeliums (Joh. 1,1 – 1,18) ist typisch gnostisch, Kirchenväter wie Clemens von Alexandria (ca. 150-215) oder Origenes (185-254) standen der Gnosis nicht ablehnend gegenüber, und Augustinus (354-430) war Manichäer, bevor er sich dem Christentum zuwendete.

Wenn im Mittelalter „Ketzer“ zu bekämpfen waren, in der Neuzeit Reformatoren die Kirche spalteten, oder Neu-Religionen auftraten, waren regelmäßig manichäische bzw. gnostische Ideen im Spiel. Ideen, welche die Kirche zum Teil selbst aufgegriffen hatte. Später war sie dann peinlich bemüht zu vertuschen, aus wie vielen, auch heidnischen Quellen sich die christliche Theologie zusammenfügte.

Die grundlegende Frage nach dem Ursprung des Bösen und dem Weg zur Erlösung hat die abendländische Kultur seit zwei Jahrtausenden geprägt; Religion, Philosophie, Kunst setzten sich in vielfältiger Form damit auseinander. Die auch in der Bibel (z.B. in der Johannes-Apokalypse) überlieferte Prophetie vom Kampf des Guten gegen das Böse hat religiöse, manchmal sogar politische Leitlinien geliefert, und die Abwertung von Gegnern als „Heiden“, „Frevler“, „Lästerer“, „Kreuzritter“, „Ketzer“, „Ungläubige“, „Untermenschen“, „Feinde des Glaubens“ oder „Achse des Bösen“ blieb bis ins 21. Jahrhundert aktuell.

Fortsetzung „Religionen der Antike“ X.

Lesen Sie dazu auch „Weshalb lässt Gott das alles zu?“ unter „Religionsgeschichte“.

Endnote:
[1] Chiliasten (von griech. chiliasmos = tausend) auch Millenarismus (von lat. mille = tausend) glauben an die Wiederkunft Christi und das Errichten seines tausend Jahre währenden Reiches.

Literatur:
(1) Hagl, Siegfried, Spreu und Weizen, Gralsverlag, Eggersdorf, 2003.
(2) Rudolph, Kurt, Die Gnosis, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1977.
(3) Widengren, Geo, Der Manichäismus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1977.
(4) http://www.goetter-und- mythen.de/ps14.htm.
(5) http:/www.heiligenlexikon.de/index.htm?.Glossar/Manichaeismus.htm.
(6) http://www.uni-muenster.de/Philologie/Iaek/Mani.html#P6.