Veröffentlicht in GralsWelt 52/2008
Im vergangenen Sommer fiel uns auf, dass in unserem Garten weniger Bienen als sonst zu sehen waren.
Nun, das ist eine Einzelbeobachtung, die viele Antworten bekommen kann. Aber wie war es bei Ihnen? Haben Sie ähnliche Beobachtungen gemacht, wie auch ein Teil meiner Bekannten?
Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich ein wenig recherchiert und bin auf folgende, beunruhigende Sachverhalte gestoßen.
Das spurlose Verschwinden der Bienen in den USA
In Nordamerika – wo es vor Kolumbus keine Bienen gab – ist im Jahr 2006 ein neues Phänomen aufgetaucht: Die Bienen sind weg. Abermillionen Bienen haben ihren Stock verlassen, die Brut nicht mehr versorgt, sind verschwunden.
An der Westküste sind 2006/2007 fast 60 % der Bienenvölker kollabiert, an der Ostküste und in Texas mehr als 70 %. Im gesamten Land sind im Durchschnitt 25 % der Bienen verschwunden (5). Was ist geschehen?
Vorerst tappen die Wissenschaftler noch im Ungewissen. Sie sprechen von „Colony Collaps Disorder“ (CCD); eine bislang unbekannte Störung, die zum Zusammenbruch der Bienenvölker führt und so erst mal einen Namen bekommen hat.
Die heutigen Obstbäume Amerikas werden zu 80 bis 90 % von Zuchtbienen bestäubt: Z. B. Äpfel, Orangen, Birnen, Pflaumen. Ebenfalls Mandelbäume, Melonen, Paprika, Himbeeren und viele weitere Obst- und Gemüsesorten. Funktionierende Alternativen zu dieser Fremdbestäubung durch Bienen gibt es kaum. (Zum Beispiel ein Gebläse, das mit künstlichem Wind die Pollen verweht). Und allein in den USA brächte ein Ausfall der Bienen einen materiellen Verlust von 18 Milliarden Dollar – von den weiteren Umweltschäden abgesehen.
Bienensterben in Deutschland
In Europa tauchen ähnliche Probleme auf. Zum Beispiel gingen im Winter 2002/2003 in Deutschland ca. 30 % aller Bienenvölker ein. Im Sommer 2008 starben in Süddeutschland 11.500 Bienenvölker und damit 500 Millionen Bienen (3).
Nicht zu vergessen die Wildbienen, von denen es in Deutschland 600 Arten geben soll (Wikipedia), deren Aussterben nur von wenigen Experten wahrgenommen wird.
Als Ursache für das Bienensterben wird hier besonders die aus Asien eingeschleppte Varroamilbe genannt, die zugleich als Überträger von krankmachenden Viren gilt. Diese Milbe ist das größte Problem für die Imker. Die Varraomilbe läßt sich bekämpfen; vor allem mit chemischen Giften, deren Rückstände in den Honig gelangen und das gesunde, natürliche Lebensmittel belasten. Naturgemäßere Mittel werden entwickelt. (4).
Verursacht wurde diese Bienenseuche durch eine wissenschaftliche Fehlleistung. Ich habe schon in der Schule gehört, dass man Lebewesen nicht in ihnen fremde Regionen einführen dürfe, da solche „Bioinvasoren“ unermesslichen Schaden anrichten könnten. Beispiele gibt es genug, von Bisamratten, Waschbären, Grauhörnchen oder dem Riesen-Bärenklau in Mitteleuropa, bis zu Kaninchen in Australien und asiatischen Käfern in den USA.
Im Zeitalter der Globalisierung mit schnellem Personen- und Güterverkehr zwischen den Kontinenten ist besondere Sorgfalt nötig, um keine unerwünschten „Passagiere“ einzuschleppen. Doch Biologen scheinen das nicht zu beachten.
1956 brachte der Bienenforscher Warwick Kerr Königinnen der sehr aggressiven afrikanischen „Killerbiene“ zu Versuchszwecken von Afrika nach Südamerika. Prompt entkamen einige Völker, die sich schnell vermehrten und zu vielen Unfällen geführt haben. (2). Seither verdrängen die afrikanischen Bienen die weit weniger aggressiven, europäischen Bienen (6). Die Imker in Südamerika müssen mit den sehr angriffslustigen afrikanischen Bienen zurechtkommen, die zwar einerseits etwas bessere Honigerträge bringen, aber auch entschieden gefährlicher sind.
Leider sind Wissenschaftler des Bieneninstituts Oberursel durch solche Erfahrungen nicht klug geworden. Sie haben 1977 zu Forschungszwecken asiatische Honigbienen eingeführt und mit ihnen die Varroamilbe. (1 und 7).
Nun haben Biologen und Pharmakologen ein selbst geschaffenes, neues Forschungsgebiet: Die (biologische) Bekämpfung der Varroamilbe!
Als weitere Ursache für das Bienensterben werden Pestizide angenommen, besonders das Nervengift Chlothianidin, mit dem u. a. Saatgut gebeizt wird. Wie zu erwarten, wehrt sich die chemische Industrie gegen solche Annahmen.
Schließlich steht noch gentechnisch veränderter Mais im Verdacht, die Bienen zu vergiften, und sogar Stressbelastung durch die veränderte Umwelt, oder Elektrosmog stehen zur Diskussion.
Die Nachzucht von Bienen wird schwieriger, neue Völker sind im Preis stark gestiegen, die Honigernte wird unsicherer. Kein Wunder, dass viele Imker die Lust an ihrem Beruf (oder an ihrem Hobby, denn es gibt viele Freizeit-Imker) verlieren.
Droht ein Desaster?
Die Wissenschaft forscht, die Politik diskutiert, Imker geben auf, Bienen sterben.
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht derzeit eindeutig die Finanzkrise (deren Ursache übrigens mangelnde Moral bei den Verantwortlichen ist), und die dadurch ausgelöste Wirtschaftskrise.
Doch wer macht sich bewusst, dass Bienen für das Wohlergehen der Menschheit vielleicht grundlegend wichtiger und dementsprechend wertvoller sind, als alle Banken, Versicherungen und Automobilfabriken zusammen?
Seit der Kreidezeit vor 110 Millionen Jahren haben die Blütenpflanzen (Anthophyta) die Erde erobert. Heute sind sie weltweit die Pflanzengruppe mit den meisten Arten. Ein erheblicher Teil dieser Blütenpflanzen, darunter viele Nutzpflanzen, ist auf Fremdbestäubung durch Insekten angewiesen (in Amerika erfolgt die Fremdbestäubung teilweise durch Kolibris).
Ohne Bienen können die meisten Obst- und Gemüsesorten nicht gedeihen; immerhin sind etwa 35 % der Nahrungsmittelproduktion von den Bienen abhängig.
Die menschliche Ernährung wäre ohne die Bienen vor allem auf Getreide angewiesen, dessen Samen durch den Wind bestäubt werden.
Ich will kein Horrorszenario an die Wand malen und keine Umweltkatastrophe prognostizieren. Die befürchteten Großschäden sind bisher ausgeblieben, und das Bienensterben bleibt hoffentlich ein vorübergehender Einbruch, der sich abfangen lässt.
Aber es sollte ein Anlass sein, darüber nachzudenken, was wirklich wichtig für unser planetares Leben ist: Das Finanzkapital oder eine gesunde Natur?
Literatur:
(1) http://www.bienenkotze.de/honig-o4,html.
(2) http://www.geo.de/GEO/kultur/geo_tv/274.html.
(3) http://www.honighäuschen.de.
(4) http://www.submetvet.de/Bienen_frm.htm. .
(5) http://www.sueddeutsche.de/wissen/570/326434/text/1/.
(6) http://www.wikipedia.org/wiki/Afrikanisierte_Honigbienen.
(7) http://www.wikipedia.org/wiki/Varroamilbe. (Mit Abbildungen).
(8) http://www.zeit.de/online/2006/29/bioinvasionen.
(9) http://www.zeit.de/online/2007/16/bienensterben-usa.
(10) http://www.zeit.de/2007/22/Bienen.