Veröffentlicht in GralsWelt 48/2008
Maschinen haben die menschliche Leistungsfähigkeit ins Unglaubliche gesteigert – etwa 55 „Energiesklaven“ arbeiten momentan bereits ununterbrochen für jeden von uns. Und der Energiehunger wächst weiter, zu Lasten der Umwelt. Welche Möglichkeiten bleiben uns, wenn wir das Ökosystem Erde nicht weiter überlasten wollen?
Bevor die „eisernen Engel“ kamen …
Im 19. und 20. Jahrhundert sprach man von den „eisernen Engeln“, den Maschinen als Helfern der Menschheit. Über viele Jahrtausende mussten sich die Menschen mit schwerster körperlicher Arbeit abplagen, vom Wasserpumpen bis zum Lastenschleppen. Nur in geringem Maße halfen Wasser- oder Windmühlen als Energielieferanten. Die allermeisten Arbeiten mussten mit menschlicher und tierischer Muskelkraft bewältigt werden.
Heute kann man nur staunen, wie mit solchen primitiven Mitteln Kanäle, Straßen, Brücken, Pyramiden, Tempel, Wasserleitungen, Staudämme, Tunnels, Burgen, Kathedralen, Schlösser, Dome gebaut wurden, die wir heute noch bewundern.
Dann erschienen kraftvolle Helfer, die allerdings den Menschen die schwerste Arbeit noch nicht abnahmen. Denn die ersten Wärmekraftmaschinen waren „brüllende Teufel“, die der Hölle entsprungen schienen und der Zerstörung dienten: Kanonen.
Es dauerte dann noch Jahrhunderte, bis der mit diesen donnernden Ungetümen beschrittene Weg der Mechanisierung zu den hilfreichen „eisernen Engeln“ führte.
Vom 18. Jahrhundert an übernahmen endlich mit Fremdenergie angetriebene Maschinen nach und nach die schwersten Arbeiten: Dampfmaschinen, die fossile Energieträger nutzen, brachten das Ende der stumpfsinnigen, ermüdenden Sklavenarbeit, mit der sich viele Menschen bis zur Erschöpfung schinden und ihre Körper durch Überlastung ruinieren mussten.
Die von thermischen Kraftmaschinen angetriebenen „eisernen Engel“ steigerten die menschliche Leistungsfähigkeit ins Unglaubliche. Das war der gewaltige Anschub, der die industrielle Revolution auslöste.
Ein ungeahnter Wohlstand für alle schien greifbar nahe, und die Menschheit war allem Anschein nach auf bestem Wege, sich die Erde endgültig untertan zu machen. Nach einer (zuerst noch von Ausbeutung geprägten) Übergangszeit sollten alle – zumindest in den Industrieländern – angenehmer, besser, leichter leben.
Wie viele „Sklaven“ arbeiten für uns?
Wie fast immer wurden die gegebenen Möglichkeiten exzessiv ausgenützt; auch die der modernen Technik.
Heute geht es längst nicht mehr um Arbeitserleichterung, sondern um Steigerung der Produktion, Zunahme des Konsums, Erhöhung des Gewinns. Mit diesem als nötig erachteten Wirtschaftswachstum verbunden ist ein fortlaufend steigender Energiebedarf. Denn alle die hilfreichen, freundlichen, nicht selten überflüssigen Helfer beim Transport, in der Industrie, im Handel, im Haushalt oder im Beruf, benötigen Energie. Energie die meist nicht naturverträglich erzeugt wird und die Umwelt belastet.
Seit Jahrzehnten wird diese von uns fast ununterbrochen, oft gedankenlos verwendete und nicht selten verschwendete Energie in menschliche Arbeitskraft umgerechnet. Solcherart wird deutlich, wie viele „Sklaven“ theoretisch für uns arbeiten.
Ein kräftiger „Energiesklave“ würde beispielsweise jeden Tag 12 Stunden lang ohne Pause schwer schuften. Eine „Sklavenstärke“ könnte man dann großzügig mit 200 Watt (etwa 1/4 PS) Leistung ansetzen (6). Das wären im Verlauf eines Arbeitstages von 12 Stunden 2,4 Kilowattstunden (kWh) und in einem Jahr 876 kWh . Ob ein Mensch diese Leistung jahrelang durchhalten und technisch brauchbare Energie liefern könnte, sei dahingestellt; es geht nur um eine Vergleichszahl.
Der Energieumsatz der Menschheit liegt derzeit bei etwas mehr als 13 Terawatt (TW; 1 TW = 1 Billion Watt!) oder 312 Tera-Watt-Stunden (TWh) pro Tag oder 114.000 Tera-Watt-Stunden pro Jahr – mit steigender Tendenz! Laut einer Prognose des „International Energy Outlook“ soll der globale Energieverbrauch von 2003 bis 2030 um 71 Prozent ansteigen!
Bereits für den heutigen Energieumsatz müssten sich 130 Milliarden Energiesklaven 12 Stunden je Tag abplagen. Bei 6 Milliarden Menschen gäbe das im Weltdurchschnitt einen Energieumsatz von etwa 2,2 kW pro Kopf, was der Leistung von 22 überaus fleißigen Energiesklaven entspräche. (In Italien waren zur Römischen Kaiserzeit etwa ein Drittel der 7,5 Millionen Einwohner Sklaven. Eine wohlhabende Familie konnte damals vielleicht über fünf Sklaven verfügen.)
Wir nehmen also pro Kopf ungefähr die Arbeit der folgenden Anzahl von Energiesklaven in Anspruch, die für unsere Bequemlichkeit und unseren Wohlstand sorgen:
Anzahl der Energiesklaven pro Einwohner: (4)
Arabische Emirate 216
Kanada 123
USA 105
Australien 77
Deutschland/Schweiz 55
Österreich 54
Griechenland/Italien 41
China 10
Indien 7
Bangladesch 1
Welt-Durchschnitt 22
Wir überlasten die Erde deutlich!
Im Heft 43 der „GralsWelt“ haben wir gefragt: „Wie viel Mensch verträgt die Erde?“ (hier unter „Ökologie“); denn das Produkt aus dem Ressourcenverbrauch pro Kopf und der Anzahl der Menschen sollte langfristig unter der Belastungsgrenze des Ökosystems Erde liegen.
Nun müssen wir noch zusätzlich fragen: „Wie viele Energiesklaven verträgt die Erde?“; denn wir dürfen der Natur auch keine unbegrenzte Energiegewinnung zumuten, schon gar nicht aus fossilen Energieträgern.
Geht man vom heute üblichen Energie-Mix aus, bei dem über 80 Prozent aus nicht-erneuerbaren Energieträgern stammen, so darf man dem Ökologen Wolfram Ziegler zufolge in Mitteleuropa und Teilen der USA mit einer Belastbarkeitsgrenze der Umwelt von etwa 12 Giga-Joule (3,3 MWh) pro Quadratkilometer und Tag rechnen. Im Weltdurchschnitt ist die Belastbarkeit der Umwelt entschieden geringer und man darf vielleicht nur die Hälfte annehmen. Diese Zahlen sind gute Näherungswerte.
Rechnet man mit einer eisfreien Landfläche von 134 Millionen Quadratkilometern und einer Grenzbelastung von 6 Giga-Joule pro Quadratkilometer und Tag, so ergibt sich bei der heutigen Art der Energieversorgung eine maximale Belastbarkeit der Biosphäre von etwa 9,3 Tera-Watt. Der derzeitige Welt-Energieverbrauch liegt jedoch über 13 Tera-Watt und damit deutlich über der ermittelten Belastbarkeitsgrenze für die Erde!
Ein gewaltiger Energiefluss
Alles Leben auf unserem Planeten hängt ab von dem Energiefluss Sonne-Erde-Weltraum. Von dieser der Erde ununterbrochen zuströmenden Energie (pro Jahr 1.080 Exa-Watt -Stunden, entsprechend einer Durchschnittsleistung von 123.300 Tera-Watt) wird nur ein winziger Bruchteil genützt – für die bei weitem größte Produktion die es gibt: die Photosynthese der Pflanzen.
In diesen Energiefluss können wir uns einklinken und die Energie der Sonne für uns nützen. Weiters steht uns noch ein wenig geothermische Energie (aus Kernreaktionen im Erdinneren) und Gezeitenenergie (Gravitation des Mondes und der Sonne) zur Verfügung.
Alle anderen ausnutzbaren Energien stammen – mit Ausnahme der Kernenergie – entweder indirekt (Holz, Kohle, Erdöl, Erdgas) oder direkt (Wasser, Wind, Meereswellen) von der Strahlung der Sonne. Trotz des solaren Ursprungs ist die Nutzung auch der drei letztgenannten Energiequellen nicht in jedem Fall unproblematisch, zum Beispiel wenn Flusskraftwerke die Fließgeschwindigkeit zu sehr verringern, oder der Bau eines Großstaudamms zu schädlichen Umweltveränderungen führt.
Den derzeitigen Weltenergiebedarf würde etwas mehr als ein Zehntausendstel der auf die Erdoberfläche gelangenden Sonnenenergie decken. Rechnerisch würden zum Beispiel zehn Prozent der Fläche der Sahara genügen, um die gesamte Menschheit mit Sonnenenergie zu versorgen.
Energie gäbe es also in Hülle und Fülle. Wir haben uns bisher nur auf die „falsche“, die nicht-naturverträgliche fossile Energie konzentriert.
Was ist zu tun?
Welche Möglichkeiten uns noch bleiben
Die Überlastung der Ökosysteme wird zum großen Teil durch die Verbrennung nicht nachwachsender Rohstoffe (Erdöl, Erdgas, Kohle) verursacht. Davon müssen wir uns trennen. Diese fossilen Energieträger sind auch an den Emissionen von Treibhausgasen beteiligt und damit für den Klimawandel mitverantwortlich.
Was uns dann zur Nutzung bleibt, sind im wesentlichen:
· Solarenergie
· Wasserkraft, Windenergie
· Nachwachsende Rohstoffe (Holz und andere Biomasse)
· Gezeitenkraftwerke
· Wellenkraftwerke
· Geothermie (Erdwärme)
· Kernenergie
Auf den Ausbau der Kernenergie sollten wir verzichten, er ist zu riskant, und die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist ungeklärt. Da Uran ein knapper Rohstoff ist, wären heutige Kernkraftwerke ohnehin nur Übergangslösungen. Brutreaktoren, die das Kernbrennstoffproblem lösen sollten, funktionieren nicht zufriedenstellend, und Fusionskraftwerke bleiben vorerst Utopie.
Wasser, Wind, Geothermie, Gezeiten und Meereswellen können einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten, werden aber nicht ausreichen.
Auch nachwachsende Rohstoffe können unser Energieproblem alleine nicht lösen. Es werden ja landwirtschaftliche Flächen benötigt, die langfristig für die Lebensmittelproduktion dringender gebraucht werden. So ließe sich zum Beispiel auf der gesamten Ackerfläche der EU nur die Hälfte des europäischen Energiebedarfes mit Energiepflanzen befriedigen! Allenfalls könnten sehr dünn besiedelte Länder versuchen, ihre Energieversorgung vollständig auf nachwachsenden Rohstoffen aufzubauen.
In der Fachliteratur schwanken die Angaben für die Ackerflächen, die für die Produktion von „grüner Energie“ zur Verfügung stehen könnten und für die möglichen Erträge stark. Je nach Ansatz kann man zu mehr oder weniger optimistischen Prognosen kommen. So glaubt zum Beispiel ein „Spiegel“-Autor (in Ausgabe 8/2007), dass sich der weltweite Mineralölbedarf mit Ölpflanzen decken ließe (wenn auch bei weitem nicht so preiswert wie bisher mit Erdöl!). Allerdings musste der Spiegel schon in der Ausgabe 4/2008 diese optimistische Ansicht korrigieren und einräumen:
„Um den Tank eines Geländewagens von annähernd hundert Litern zu füllen, muss ein Ethanol-Hersteller etwa eine Vierteltonne Weizen verarbeiten. Damit könnte ein Bäcker rund 460 Kilogramm Brot backen, das insgesamt einen Nährwert von etwa einer Million Kilokalorien besitzt: Das genügt, um einen Menschen ein Jahr lang satt zu machen.“ (S. 69).
Diese Alternative lautet also: Wollen wir „Brot für die Welt“ oder „Sprit für die Welt“?
Bei der Verbrennung nachwachsender Rohstoffe entstehen ähnliche Schadstoffe wie bei der Kohle-Verbrennung, nur der klimaschädliche Kohlendioxidüberschuss fällt weg. Außerdem kann auch naturverträglich erzeugte Energie Schaden anrichten, wenn man damit unachtsam umgeht, zum Beispiel schwer abbaubare Kunststoffe erzeugt, schädliche Chemikalien produziert usw. Es ist auch zu bedenken, dass nach dem Entropiesatz jegliche Energie nur zum Teil dem gewünschten Zweck zugeführt werden kann und der Rest von der Natur aufgefangen werden muss.
Die unvermeidliche Umstellung der Energieversorgung auf Öko-Energie und eine effizientere Energienutzung werden Zeit und Geld kosten. Die erforderlichen Technologien sind zwar grundsätzlich bekannt, doch ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Auch muss die Produktion der benötigten weiterentwickelten Energieumwandler mit geringem Energieverbrauch, ohne Gifte und ohne schädlichen Abfall erfolgen.
Beachtliche Investitionen werden nötig sein, bis eine naturverträgliche Energieversorgung flächendeckend zur Verfügung stehen kann. Die Energiekosten werden dadurch zunächst steigen. So sind zum Beispiel Solarzellen oder Windräder noch nicht in der Lage, Strom zu Preisen zu liefern, die mit konventionellen Kraftwerken konkurrieren können.
Weitere Probleme bringt die erforderliche Speicherung ungleichmäßig anfallender Energien (Sonnen-, Wind- und Gezeitenenergie). Auch die Art des Transportes der vielleicht in Wüsten gewonnenen Solarenergie zu den Ballungszonen (als elektrischer Strom durch supraleitende Kabel oder in Form von Wasserstoff?) ist eine noch nicht entschiedene Frage. Ebenso ist noch offen, wie Kraftfahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge mit naturverträglicher Energie am besten zu betreiben sind.
Sonnenenergie und effizientere Energienutzung!
Fazit: Preiswerte Energie im Überfluss war bisher der Motor für die schnelle Industrialisierung und eine Voraussetzung für den Wohlstand in den Industrieländern.
Doch die Epoche der billigen Energie geht unaufhaltsam zu Ende, und die noch immer verbreitete Energieverschwendung muss aufhören. Zur dringend nötigen Umorientierung bleibt nun nicht mehr viel Zeit.
Um einer bevorstehenden Energie- und Umweltkrise zu entkommen, gilt das Motto:
Sonnenenergie und effizientere Energienutzung! –
Lesen Sie dazu auch unter „Ökologie“ den Beitrag „Wie sehr wir unsere Erde überlasten„.
Literatur:
(1) Handrichs Franz, Der Weg aus der Tretmühle, VDI, Düsseldorf 1966.
(2) Dürr Hans-Peter, Für eine zivile Gesellschaft, DTV, München 2000.
(3) Ziegler Wolfram, Gibt es zu viele Europäer? Zeitschrift Gaia, 4/1994.
(4) http://www.klimabuendnis.org/download/mv2007-vortrag-duerr-de.pdf.
(5) http://www.nuclear-free.com.deutsch/duerr.htm.
(6) http://www.pm-magazin.de/de/heftartikel/druck_artikel.asp?artikelid=1944
(7) http://www.wikipedia.org/wiki/Energiepflanzen.
(8) http://www.wikipedia.org/wiki/Photosynthese.
(9) http://www.wikipedia.org/wiki/Solarenergie.
(10) http://de.wikipedia.org/wiki/Weltenergieverbrauch.