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Buch- und Filmbesprechungen

Die Schlange am Firmament

(Veröffentlicht in GralsWelt 25/2002)

Von John Anthony West, Zweitausendeins, Frankfurt 2000:

Wer nach dem Ursprung der abendländischen Kultur fragt, bekommt von Historikern eine eindeutige Antwort: Griechenland. Hier gab es die ersten spekulativen Denker, hier erreichten Philosophie, Geometrie, Dramatik, Baukunst, Plastik, erste Höhepunkte, die noch heute bewundert werden.

Ganz anders beurteilen wir die ägyptische Kultur. Lange vor der hochangesehenen klassischen griechischen Kultur entstanden in Ägypten künstlerische und architektonische Meisterwerke, die oft nicht hinreichend gewürdigt werden, da sie unserer, an griechischen Vorbildern geschulten Ästhetik vielleicht weniger entsprechen.

Die Alten Ägypter selbst gelten als ein intellektuell wenig entwickelter Menschenschlag, der von einer hochmütigen Priesterkaste und tyrannischen Pharaonen unterdrückt wurde. Das Alte Testament der Bibel wie die Philhellenen des 19. Jahrhunderts haben in gleicher Weise dieses Paradoxon gepflegt: Hochentwickelte Kunst und großartige, einmalige Architektur in Ägypten. Doch ein primitives Volk, das ein groteskes Pantheon tierköpfiger Götter sklavisch verehrt und fast nur ein Anliegen hat: die Leichname Verstorbener durch Einbalsamieren und den Bau aufwendiger Grabstätten so lange wie möglich vor dem Zerfall zu retten, damit die „Seele“ weiter leben kann. In den Wissenschaften, in Mathematik, Astronomie oder Medizin gelten die Kenntnisse der Alten Ägypter als marginal.
In dem oben genannten Buch, das nicht ganz leicht lesbar ist, wird dem landläufigen Bild des Alten Ägypten eine völlig andere Vorstellung gegenübergestellt, die genügend belegt ist, um sie ernst zu nehmen. Demnach verfügten die Alten Ägypter schon im Alten Reich (ca. 2660 – 2160 v. Chr. nach der üblichen Datierung) über ein umfassendes Wissen, das sich nicht erst bei ihnen entwickelte, sondern ein Vermächtnis war einer untergegangenen älteren Hochkultur, die landläufig „Atlantis“ genannt wird.

Um zu solchen Aussagen zu kommen, muss man allerdings die eingefahrenen Gleise der Ägyptologen verlassen, die selbst wissen, dass z. B die altägyptische Chronologie ungenau ist. Es sind aber nicht esoterische Vorstellungen oder haltlose Behauptungen, die zu den von West vertretenen, revolutionären, im ersten Augenblick unglaublich scheinenden Schlussfolgerungen über Altägypten führen, sondern mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitete Fakten.
Am überzeugendsten sind vielleicht die Untersuchungen der Sphinx. Eindeutige geologische Prüfungen beweisen, dass sowohl der Sphinx selbst, wie auch der Chephren (2520-2494 v.Chr.) zugeschriebene Granittempel neben dem Sphinx, entschieden älter sind als bisher angenommen: Sie wurden spätestens 5.000 – 7.000 v. Chr. erbaut!

Das lesenswerte, doch auch anspruchsvolle Buch von John Anthony West vertritt also zwei alarmierende Thesen: Das Alte Ägypten besaß eine höher entwickelte, besonders wissenschaftlich weit höher stehende Kultur, als bisher vermutet wurde. Das beachtliche Wissen dieses alten Volkes aber ist das Vermächtnis einer noch älteren, verschollenen Hochkultur: Atlantis, dessen Existenz, wenn auch nicht Name, Lage und Art des Unterganges, damit so gut wie bewiesen wäre!