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Wissenschaft

Welträtsel und Naturwunder Teil VI.

D A S   W U N D E R   D E S   L E B E N S

(Veröffentlicht in GralsWelt Sonderheft 11/2003)

Wissenschaftler wagen sich nur ausnahmsweise an eine Definition des Lebens, und es ist etwas Besonderes, dass vor einem halben Jahrhundert ein bekannter Physiker ein Buch geschrieben hat mit dem Titel „Was ist Leben?“ (11), das heute zwar teilweise überholt, doch immer noch lesenswert ist.

Wenn wir vom Leben sprechen, beziehen wir uns zwangsläufig auf das Leben auf der Erde, und damit auf die uns bekannten Formen des organischen Lebens. Andere Lebensformen kennen wir nicht.
Es spricht zwar manches dafür, dass wir nicht die einzigen (intelligenten) Wesen im Universum sind, doch der wissenschaftliche Beweis für außerirdisches Leben fehlt, und es ist nicht sicher, dass er je erbracht werden wird.

So können wir nur versuchen, die Besonderheiten herauszustellen, die das Belebte vom Unbelebten, also von rein physikalischen Strukturen unterscheiden: Nahrungsaufnahme, Wachstum, Reizreaktionen, Heilung von Verletzungen, Fortpflanzung, flexibles Reagieren auf Umwelteinflüsse usw.

Wie schon aus dem Beitrag „Das wundersame Gleichgewicht“ deutlich wurde, spielt sich Leben weit entfernt von thermodynamischen Gleichgewichten ab, und belebte Wesen bauen höchst komplizierte Strukturen auf, die den physikalischen Gesetzen zufolge extrem unwahrscheinlich sind.

Wie entstand das Leben?

Vor einigen Jahrzehnten schien diese Frage geklärt. Schon 1924 hatte A. I. Oparin (10) vermutet, dass das Leben auf Erden in mehreren, sich teilweise überlappenden Schritten entstanden sei:
1. Organisch-chemische Evolution bis zur Bildung von Makro-Molekülen
2. Bildung von Reaktionssystemen zwischen organischen Makro-Molekülen
3. Räumliche Abgrenzung der hochmolekularen Systeme, die zu Ur-Lebewesen (Protobionten oder Eobionten) wurden
4. Evolution dieser Ur-Lebewesen, ihres genetischen Codes, ihrer Vermehrung und anderer Lebensfunktionen.

Die ersten Schritte auf dem Weg zum Leben ließen sich anscheinend sogar im Labor nachstellen. Der dadurch berühmt gewordene Stanley Miller baute 1953 eine Apparatur, in der er die Ur-Atmosphäre der Erde nachahmte. Dabei bildeten sich komplizierte organische Moleküle, darunter Aminosäuren, die Grundbausteine der Proteine (Eiweißmoleküle), aus denen die Strukturen aller Lebewesen bestehen.

Alles Übrige schien dann nur noch eine Frage der Zeit: früher oder später würden sich die für Lebewesen benötigten Grundsubstanzen in der „Ursuppe“ (dem Ur-Meer) zusammenfinden und Proteine, Enzyme , Gene, einfache Lebewesen bilden.

In unzähligen wissenschaftlichen oder populären Schriften wurde die Entstehung des Lebens in dieser oder ähnlicher Art geschildert. Inzwischen ist diese Hypothese der „Selbstorganisation des Lebens“ allerdings widerlegt – was nicht heißt, dass sie nicht nach wie vor vertreten wird.

Die gestaltenden Kräfte der Natur

Jahrhunderte lang waren Theologen und Naturphilosophen überzeugt, dass Leben etwas Besonderes sei, das nur aufgrund einer besonderen, höheren Kraft bestehen könne, die Lebenskraft (vis vitalis), Entelechie, Od, Orgon, Zellseele usw. genannt wurde.

Erst die physikalisch-mechanistisch geprägten Ansätze der Biologie des 19. Jahrhunderts, wie der Neo-Darwinismus des 20. Jahrhunderts, wollten die Formenbildungen der Natur als Folge der in der Materie selbst ruhenden Zwangsläufigkeiten sehen. Dieser „methodische Atheismus“ schloss bei allen Naturvorgängen transzendente (nicht messbare) Einflüsse aus.

In der Natur gibt es jedoch zwei grundsätzlich verschiedene Wege der Formenbildung:

In der Materie verankerte Eigenschaften sorgen dafür, dass zum Beispiel
· Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser verbrennen;
· Wasser sich zu Eis verfestigt oder als Schneekristall ausfällt;
· Subatomare Gegebenheiten und das Periodensystem der Elemente bedingen diese Vorgänge.
Solche Formenbildungen sind zwangsläufig, nicht zu vergleichen mit dem Vorgang, wenn ein Künstler aus einem Marmorblock eine Statue herausarbeitet, auf deren Formen das Material keinen Einfluss hat.

Der zweite Weg der Formenbildung, der alle organischen Strukturen betrifft, hat nichts mit Eigenschaften zu tun, die in der Materie verankert sind, sondern mit genetischer Information. Organische Strukturen entstehen nicht zwangsläufig aufgrund physikalischer Notwendigkeiten (wie die Strukturen der „unbelebten Materie“), sondern sie bilden sich sogar entgegen der physikalischen Wahrscheinlichkeit.
Die Materie enthält keinen Drang, einen Fisch, eine Buche oder ein Pferd zu bilden.

Die Strukturen des Belebten werden vom genetischen Code gesteuert. Dieser Code ist nicht – wie das Periodensystem – Folge einer physikalischen Zwangsläufigkeit, sondern das Ergebnis einer „Vereinbarung“. Es besteht keine naturnotwendige Verbindung zwischen den Proteinen, die von der Zelle produziert werden, und den entsprechenden Abschnitten der DNS. Das wird dadurch bewiesen, dass es für jede Aminosäure mehr als eine Code-Form gibt, so wie menschliche Sprachen verschiedene Worte für ein und den selben Begriff gebrauchen. Der DNS-Code ist also eine „willkürlich“ festgelegte Sprache oder Information.

Organische Formen sind von grenzenloser Vielfalt. Sie entstehen in der Natur nur durch lebende Organismen und öffnen den Lebewesen unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten, wie die unbelebte Natur sie nicht kennt.

Damit stellt sich die Frage, welche verborgenen Einflüsse die Formen des Lebens hervorbringen; wer den genetischen Code einführte und es Pflanzen und Tieren ermöglichte, ihn zu lesen und seine Anweisungen zu befolgen.

Das erste Lebewesen

Schon die erste, noch primitive, aber schon lebens- und fortpflanzungsfähige Zelle war keineswegs einfach strukturiert. Sie benötigte:

· Proteine (Eiweißmoleküle): Alle Proteine der Lebewesen bestehen aus nur 20 Aminosäuren, die sich zu langen Ketten ohne Verzweigung zusammenschließen. Bei Experimenten mit der Uratmosphäre, wie sie von Stanley Miller initiiert wurden, entstehen zahlreiche organische Stoffe, darunter auch Aminosäuren. Bei einem bestimmten Experiment entsteht allerdings nur ein Teil der notwendigen Aminosäuren. Man musste daher annehmen, dass in der Uratmosphäre bzw. der Ursuppe an verschiedenen Stellen unter unterschiedlichen Bedingungen sich diese Aminosäuren bildeten, die dann zusammengespült wurden und sich zu Proteinen zusammenfügten. Diese Kettenbildung durch Polykondensation verlangt allerdings eine gelenkte Synthese, bei der das abgespaltene Wasser entfernt wird. Von selbst oder in der Ursuppe ist sie so gut wie unmöglich (vgl. 12).

· Träger der Erbinformationen: Diese sind Nukleinsäure-Stränge (DNS oder RNS), die aus vier stickstoffhaltigen Basen (Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil) zusammengesetzt sind. Wie sich diese vier Bausteine in der Ursuppe bilden, ist höchst fraglich.

· Selbstverdoppelung der DNS/RNS: Dazu ist ein Team von Enzymen, von „Arbeitsmolekülen“ nötig. Auch diese Enzyme entstehen nicht von selbst, sondern sie wurden wieder von anderen Enzymen oder ganzen Enzymketten erzeugt, die zusammenarbeiten. Und sie wurden hergestellt anhand von Bauplänen, die auf der DNS/RNS gespeichert sind und von dort abgelesen und übertragen werden. Auch dies geschieht wieder nicht von selbst, sondern durch Enzyme, die ihrerseits von Enzymen hergestellt werden.

· Zellmembrane: Ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum ersten Lebewesen ist eine Abgrenzung nach außen durch Zellmembranen, zu deren Aufgabe auch der Stofftransport durch die Membrane gehört. Die bekannten biologisch aktiven Membranen sind kompliziert aufgebaut und entstehen immer aus bereits existierenden Membranen.

Selbstorganisation?

Damit wurden nur einige der Schwierigkeiten geschildert, die der spontanen Bildung der ersten Zelle entgegenstanden. Dass sich alles durch Zufall in der Ursuppe von selbst gebildet haben könnte, wird heute auch von einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern für ausgeschlossen oder zumindest für extrem unwahrscheinlich gehalten.
So schreibt zum Beispiel Bruno Vollmert:

„Die Evolutionstheoretiker schieben das Mysterium des Daseins, die Frage nach dem Ursprung, zurück in immer weitere zeitliche Fernen: Die Lebewesen sind aus einzelnen Zellen entstanden, Zellen aus Makromolekülen, Makromoleküle aus niedermolekularen Bestandteilen der Planetenatmosphäre, die Planeten, die Sterne und die Galaxien durch den Urknall. Aber was der Urknall ist, woher die Materie kam und die wunderbare Ordnung der Atome und des Periodischen Systems der Elemente, woher die strengen Gesetze in der Welt des Kleinsten und Größten, das sagt und fragt man nicht.
Die Widerlegung der DARWIN-Hypothese aber bedeutet mehr: Wenn das informationsträchtige Makromolekül DNS nicht von selbst entstehen konnte, hat dasselbe geheimnisvolle Wirken, das den Urknall und den Ursprung der physikalischen Gesetze umgibt, die gesamte Evolution begleitet und begegnet uns auch heute noch in unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Nähe. Es begegnet uns in jeder Blüte und in jedem Blatt. Es begegnet uns aber auch im Kern jeder lebenden Zelle in der Reihenfolge der Nucleotide, in jener auf so rätselhafte Weise im Laufe der Jahrmillionen entstandenen Schrift, die Segen und Unheil zugleich bedeutet: Die Gnade, leben zu dürfen, und den Fluch, leben zu müssen.“ (12, S. 47).

Wir müssen also davon ausgehen, dass die viel zitierte „Selbstorganisation der Materie“ die Entstehung des Lebens nicht erklären kann, auch wenn sich Nobelpreisträger für diese Hypothese einsetzten.

Die Frage nach dem Beginn des Lebens ist aus naturwissenschaftlicher Sicht wieder offen. Wie es auf Erden entstanden ist und wie es sich entwickelt hat, bleibt Spekulation.

Fortsetzung Teil VII.

Literatur:
(1) Augros, Robert/Stanciu, George: „Die Neue Biologie“, Scherz, München, 1991.
(2) Dawkins, Richard: „Der blinde Uhrmacher“, DTV, München, 1987.
(3) Eichelbeck, Reinhard: „Das Darwin-Komplott“, Bertelsmann, Gütersloh, 1999.
(4) Eigen, Manfred/Winkler, Ruthild: „Das Spiel“, Piper, München, 1981.
(5) Hollitscher, Walter: „Ursprung und Entwicklung des Lebens“, Pahl-Rugenstein, Berlin, 1984.
(6) Jacob, Francois: „Das Spiel der Möglichkeiten“, Piper, München, 1983.
(7) Junker, Reinhard/Scherer, Siegfried: Evolution“, Weyel, Gießen, 1998.
(8) Maddeox, John: „Was zu entdecken bleibt“, Suhrkamp, Frankfurt, 2000.
(9) Monod, Jacques: „Zufall und Notwendigkeit“, DTV, München, 1971.
(10) Oparin, A. I.: „Die Entstehung des Lebens auf der Erde“, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1957.
(11) Schrödinger, Erwin: „Was ist Leben?“, Piper, München1987 (erste Aufl. 1944).
(12) Vollmert, Bruno: „Die Lebewesen und ihre Makromoleküle“, E. Vollmert-Verlag, Karlsruhe, 1983.