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Buch- und Filmbesprechungen

Der Haß auf den Westen

Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren

Von Jean Ziegler, C. Bertelsmann, München, 2009, ISBN 978-3-570-01132-4, EUR 19,95

(Originalausgabe in französischer Sprache „La Haine de l’Occident“, 2008).

(Veröffentlicht in GralsWelt 56/2010)

In der Gralswelt haben wir den Sachbuchautor und Globalisierungskritiker Jean Ziegler schon mehrmals zitiert (z. B. in dem Kasten „Monetarismus oder Menschenrechte?“  bei „Der Start ins 21.Jahrhundert“ unter „Wirtschaft und Soziales“). Er ist Soziologe, Politiker, emeritierter Professor der Universität Genf, Träger des Literaturpreises für Menschenrechte. Von 2000 bis 2008 war er UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.

In seinem neuesten Buch weist er aus eigener, umfangreicher Erfahrung auf den bei uns nicht ausreichend wahrgenommenen „Hass auf den Westen“ hin. Ein Hass, der keineswegs nur politische Extremisten oder religiöse Fanatiker erfasst hat, sondern der auch von gut ausgebildeten, qualifizierten Persönlichkeiten aus Entwicklungsländern geteilt wird.

Dieser Hass hat zwar seine historischen Wurzeln in der Zeit des Kolonialismus, doch er wird durch die nach wie vor praktizierte Ausplünderung der unterentwickelten Länder immer wieder neu angefacht. Die Entwicklungshilfe oder die von westlichen Politikern gepredigten Parolen „Demokratie“ und „Menschenrechte“ erleben die Menschenmassen in den armen Ländern nur als zynische Scheinargumente zur Verschleierung eines brutalen, rassistischen Ausbeutungssystems, in dem nach der Kolonialzeit nur die Herrschenden gewechselt haben und die Herrschaftsmethoden verfeinert wurden. An der Unterdrückung und Ausplünderung der Armen der Welt hat sich seit dem Ende des Kolonialismus nichts geändert.

Der weitgereiste Autor Ziegler zeigt an erschreckenden Beispielen wie das rigorose Vorgehen kapitalistischer Konzerne, unterstützt von ihren Regierungen, im Zusammenspiel mit den korrupten Eliten der Entwicklungsländer zu Armut, Not, Hunger, Krankheit, Umweltkatastrophen führt.

Der Kapitalismus hat nach dem Zusammenbruch des Ostblocks auf einem viel gefeierten Siegeszug Russland, China, Indien und viele weitere Entwicklungs- und Schwellen-Länder erobert. Diese angeblich fortschrittliche Entwicklung zu Globalisierung, Deregulierung, freier Wirtschaft, brachte den Ländern des Südens aber keineswegs demokratische Reformen, seriöse Regierungen, die Achtung der Menschenrechte, oder eine Verringerung des Hungers. Vielmehr entstand ein räuberisches, kapitalistisches Ausbeutungssystem. Diese menschenverachtende globale Wirtschaft wird von UN-Organisationen wie der Weltbank oder dem Weltwährungsfond gestützt, die ihren Statuten nach der Förderung der unterentwickelten Länder und der Abschaffung der Armut verpflichtet wären. Kein Wunder, dass manche glauben, es handle sich um eine „kapitalistische Weltverschwörung“.

Das neueste Buch von Jean Ziegler ist eine Pflichtlektüre für jeden, der aus berufenem Munde über die Hintergründe der Weltwirtschaft und der Weltpolitik seriös informiert sein möchte.