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Wissenschaft

Darwin und die Evolution Teil 6

Der Jahrhundertstreit

Veröffentlicht in GralsWelt Sonderheft 21/2008

Einhundertfünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung von Darwins „Die Entstehung der Arten“ (On the Origin of Species by Means of Natural Selection) am 24. November 1859 ist der Streit um die Evolutionstheorie noch nicht abgeklungen. Dabei stehen sich im wesentlichen drei Lager gegenüber, die sich gegenseitig ideologische Voreingenommenheit vorwerfen.

„Die Bibel dient nicht dazu uns zu zeigen wie der Lauf der Himmel ist, sondern wie wir in den Himmel kommen.“
Galileo Galilei (1564-1642)

Naturwissenschaftler
Die große Mehrzahl der Naturwissenschaftler akzeptiert die modifizierte Evolutionstheorie mit ihren vielen Verbesserungen (vgl. Teil 5 „Der Aufstieg des Lebendigen“) als die einzige logische Erklärung für die Entwicklung des Lebens im Verlauf der Naturgeschichte.

Von Gegnern wird ihnen vorgeworfen, dass sie an dieser materialistischen Hypothese trotz vieler Ungereimtheiten vor allem deshalb festhielten, weil diese ohne übernatürliche (transzendente) Einflüsse oder einen Schöpfergott auskomme. Dann liegt auch der Atheismus-Vorwurf nahe.

„Wenn die Schwierigkeiten zu groß werden, flüchtet man hinter die Nebel der Jahrhunderte (und Jahrmillionen), versteckt man sich, soweit die Phantasie es gestattet, im Dunkel der Vergangenheit, ruft man die Zeit an, diesen Faktor, über den wir so wenig vermögen und der sich gerade deshalb so gut dazu eignet, Phantastereien zu verhüllen.“
Jean-Henri Fabre (1823-1915).

Jahrtausende lang galten Götter als Lenker der irdischen und himmlischen Ereignisse. Für den Menschen, der sich dem göttlichen Ratschluss hilflos ausgeliefert fühlte, blieb nur ein geringer Freiraum; die Erforschung einer von göttlicher Willkür beherrschten Natur musste aussichtslos scheinen.

Inzwischen haben Naturwissenschaftler nach und nach zeigen können, dass sowohl himmlische Ereignisse – wie die Planetenbewegungen -, als auch irdische Vorgänge Naturgesetzen gehorchen, die der Mensch erforschen, verstehen, anwenden kann. Da fällt es schwer, erneut eine unbekannte, unberechenbare Variable namens „Wirken Gottes“ oder auch „Wunder“ einzuführen. Denn das würde bedeuten, dass Naturwissenschaftler nicht alles erforschen, nicht alles verstehen können, und ihre Ergebnisse nie absolut zuverlässig wären.

Dass nicht alles bis ins Letzte vorausberechenbar ist, hat die Heisenbergsche Unschärferelation gezeigt. Somit bleibt immer ein gewisser Spielraum für das nur statistisch Erfassbare, für den Zufall, den freien Willen oder das Schicksal. Jedenfalls ist die Zukunft nicht exakt vorherzusehen.

Die Welt als Tombola
„In der Evolution waltet der Zufall nicht nur beim Spiel mit dem Erbgut, das neue Organismen hervorbringt. Glück und Pech entscheiden auch darüber, ob sich eine Neuentwicklung dauerhaft auf der Bühne des Lebens einrichten kann oder ob sie wieder verschwindet. Und viele der Prinzipien, die über die Zukunft einer Neuerung in der Natur bestimmen, gelten ebenso in der menschlichen Gesellschaft – vor allem in der Wirtschaft.
Am größten ist der Einfluss des Zufalls während der ersten Generationen. Wenn das bessere Gen Glück hat, verbreitet es sich bald auf so viele Individuen, dass es kaum noch auszurotten ist…
Darüber hinaus hat die Innovation der Natur nur dann eine Chance, wenn sie zur richtigen Zeit und im richtigen Umfeld auftritt. Denn jede Erfindung muss sich gegen das Vorhandene behaupten, und meist ist unvorhersehbar, wie der Wettbewerb zwischen den angestammten Bewohnern eines Lebensraumes und den Neulingen ausgehen wird. Und selbst wenn sich die neue Eigenschaft in einer Population festgesetzt hat, können Katastrophen wie Klimaumschwünge, der Einschlag eines Meteoriten oder auch Raubbau durch den Menschen alle Träger des vorzüglichen Gens umbringen und damit die Evolution um einen Schritt zurückwerfen.
Die Entwicklung von Pflanzen und Tieren gleicht also weniger einem Schachspiel, bei dem der beste Zug zählt, sondern einer gigantischen Tombola. Verdankt auch der Mensch seine Entstehung nur dem Zufall? Der amerikanische Paläontologe Stephen Jay Gould jedenfalls war überzeugt, der Film der Naturgeschichte verliefe ganz anders, würde er noch einmal abgespielt.“ (9, S. 138).

Kreationisten
Die Kritiker der Selektionstheorie finden sich zum einen Teil im Lager der buchstabengläubigen Fundamentalisten, der Kreationisten, die sich theologische Verblendung vorwerfen lassen müssen.

Ob Jude, Christ oder Moslem, wer seine Heiligen Schriften wörtlich nimmt und den Lehren seiner Religion streng vertraut, muss an eine göttliche Schöpfung und an einen von Gott selbst ausgehenden Schöpfungsplan glauben.

Aus evolutionsbiologischer Sicht sind solche alten religiösen Bücher auf keinen Fall wörtlich zu nehmen, wenn man sie nicht gar mitsamt den betreffenden Religionen als überholt abtut.

In einigen Beiträgen („Bibel kontra Darwin in Amerika“, unter „Religionsgeschichte“ und in „Kurz, knapp, kurios“ Seite 71 „Der Eisenhammer aus der Kreidezeit“) haben wir über den Kreationismus und das Creation Evidence Museum in Glen Rose (Texas) berichtet. Ein weiteres Museum, das die anerkannte Naturgeschichte leugnet, wurde im Juli 2007 in Petersburg (Kentucky) eröffnet. Auch hier wird versucht, die Evolutionslehre zu widerlegen und die beobachtbaren Fakten mit der biblischen Schöpfungsgeschichte, speziell dem Buch Genesis, in Einklang zu bringen.

Vor allem in angelsächsischen Ländern – von den USA bis Australien – wollen verschiedene evangelikale Gruppen in den Schulen eine bibelkonforme Biologie auf den Lehrplan bringen. In Einzelfällen hatten sie damit schon Erfolge. Vergleichbare Bemühungen gibt es auch in der Islamischen Welt (17), und in Russland hat sich das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche zum Kreationismus bekannt (16).

Die ID-Theorie
In dem Beitrag „Ein konstruiertes Universum“ (unter „Wissenschaft“) sprachen wir über die ID (Intelligent Design) Theorie, die sich auf wissenschaftlicher Basis um eine nicht-darwinistische Naturgeschichte bemüht.

Vertreter dieser Richtung – darunter ernstzunehmende Wissenschaftler – glauben in der Natur viele Beweise dafür zu finden, dass es sich bei den Lebewesen um durchdachte Konstruktionen handeln muss, die nicht rein zufällig entstanden sein können. Allerdings ist die ID-Theorie weder beweisbar noch widerlegbar, und daher keine wissenschaftliche Theorie im strengen Sinne. Beispiele für deutschsprachige Bücher, die sich kritisch mit dem Evolutionsmodell auseinander setzen, wären (3), (7), (11) und (12). 

Evolutionsbiologie und christliche Lehre
Auch im 21. Jahrhundert beurteilen z. B. Evangelikale die Evolutionsbiologie nicht viel anders als zu Darwins Zeiten. Die katholische Kirche akzeptiert neuerdings die Entwicklungsgeschichte, sieht aber nur Menschen (nicht auch Tiere) als beseelte Wesen. Eugen Ulmer hat diesen Standpunkt der katholischen Kirche dem Menschenbild der Evolutionsbiologie gegenübergestellt:
„In der christlichen Glaubenslehre gibt es weder eine ‚Tier- noch eine Pflanzenseele‘, d. h. nur die Spezies Homo sapiens soll ‚beseelt‘ sein. Dieser Glaubenssatz wurde von Papst Benedikt XVI. ein Jahr vor seiner Amtseinführung (2004) wie folgt formuliert: ‚Die menschliche Seele ist direkt von Gott geschaffen‘. Nach der Bibel sind die Tiere als ‚Geschöpfe Gottes‘ dem Menschen somit nicht gleichgestellt, sondern stehen in seinem Dienst. Dieses Dogma galt in früheren Jahren als Rechtfertigung für die erbarmungslose Ausbeutung der Tiere durch den Menschen, der sich als ‚Krone der Schöpfung‘ bzw., als ‚Ebenbild Gottes‘ eine biologische Sonderstellung zubilligte .
Die Evolutionsbiologie hat jedoch zu der Erkenntnis geführt, dass die Spezies H. sapiens, die zu etwa 99% mit der Gattung Pan (Schimpanse) genetisch identisch ist, keine biologische Besonderheit darstellt. Wie der DNS-Sequenzstammbaum der Primaten zeigt, ist der Mensch mit den afrikanischen Affen (Schimpansen, Gorillas) näher verwandt als jene mit den südwestasiatischen Orang-Utans. Der genetische Abstand zwischen Mensch und Schimpanse ist somit geringer als der zwischen Schimpanse und Orang-Utan. Wir gehören daher mit Schimpanse und Gorilla in die zoologische Unterfamilie der Homininae, die, gemeinsam mit den Ponginae (einzige Art Organ-Utan), die Familie der Hominidae bildet. Der Mensch ist, als eine von vielen Millionen Biospezies, nicht mehr als eine spezielle Säugerart, die jedoch infolge ihrer relativ hoch entwickelten Intelligenz besonders erfolgreich war (effizienter Kultur- und Wissenstransfer von Generation zu Generation)“ (10, S. 266).

Darwin-Kritiker wie Wolf-Ekkehard Lönnig sind mit der Beschreibung des Menschen als „99-prozentigem Schimpansen“ nicht einverstanden. Sie verweisen darauf, dass diese weitgehende Übereinstimmung zwar für den Genotypus nicht aber für den Phänotypus gilt. Der Genotypus ist die genetische Ausstattung, der Phänotypus das körperliche Erscheinungsbild. Letzteres stimmt beim Menschen nur zu etwa 80 Prozent mit dem des Schimpansen überein. Demnach können die Gene keineswegs alles über ein Lebewesen aussagen.
Besonders deutlich wird die beschränkte Aussagefähigkeit der genetischen Ausstattung bei den Geschlechtern. Frau und Mann unterscheiden sich genetisch nur minimal. Die Genetik kann die gravierenden Unterschiede im Körperbau und in den Verhaltensweisen zwischen weiblich und männlich nicht hinreichend begründen.
Der Naturalismus führt also nur zu dürftigen Ergebnissen, sofern eine Erklärung für die herausgehobene Stellung des Menschen gesucht wird.
Denn der Mensch ist ein geistiges Wesen! Seine Besonderheiten können nicht ausreichend durch seine Gene, den aufrechten Gang, ein großes Gehirn oder andere körperliche Merkmale erklärt werden.

Dazu der Nobelpreisträger John Carew Eccles (1903-1997): „Da materialistische Lösungen keine Begründung liefern können für unsere Einzigartigkeit, sehe ich mich gezwungen, die Einzigartigkeit der Psyche oder Seele einer übernatürlichen geistigen oder spirituellen Schöpfung zuzuschreiben.“ (1, S. 88).

Wer die Gralsbotschaft „Im Lichte der Wahrheit“ von Abd-ru-shin kennt, hat Zugang zu einem Bild des Menschen und dessen Platz in der Natur, das nicht dem Materialismus verpflichtet ist. (Vgl. „Der Unterschied im Ursprung zwischen Mensch und Tier“).

Die islamische Sicht zeigt ein in vielen Sprachen veröffentlichtes, gut aufgemachtes Buch (15), das gegen den Darwinismus die gleichen wissenschaftlichen Argumente vorbringt wie die Vertreter der ID-Theorie und in weltanschaulichen Fragen sich zwar auf den Koran beruft, aber zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt wie christliche Kreationisten mit der Bibel als Grundlage ihres Glaubens.

Zielgerichtete Entwicklung?
Bibel- bzw. korangläubige Kreationisten, Vertreter der ID-Theorie und sonstige Darwin-Kritiker gehen von unterschiedlichen Ansätzen aus, die sich jedoch meist darin gleichen, dass sie das Wechselspiel von Mutation und Selektion nicht für ausreichend halten, die Aufwärtsentwicklung des Lebens zu erklären. Sie verweisen dazu auf die vielen Lücken und Ungereimtheiten im darwinistischen Weltbild.

Sogar die geologische Zeitskala – die den Darwinismus stützt – ist aus ihrer Sicht bei weitem nicht so gut abgesichert, wie es landläufig scheint.

Evolutionisten werfen manchmal die verschiedenen Kritiker des Darwinismus in einen Topf und lenken so davon ab, dass es nicht nur religiöse, sondern auch naturwissenschaftlich begründete Einwände gegen die Selektionstheorie gibt.

Viele Darwinkritiker – ob religiös oder wissenschaftlich motiviert – sehen im Aufstieg des Lebendigen eine zielgerichtete, eine geplante, eine „teleologische“ Entwicklung.

Für Evolutionsbiologen dagegen ist jede Art von Planung oder Lenkung der Evolution unakzeptabel. Denn dazu wäre ein „Planer“ erforderlich – oder mindestens etwas, das Erfahrungen speichert und beurteilt. Eine solche „übergeordnete, höhere Instanz“ findet in naturwissenschaftlichen Theorien gegenwärtig keinen Platz.

Aus evolutionistischer Sicht unterlag und unterliegt die Entwicklung des Lebens dem Zufalls-Prinzip, das eine zielgerichtete Planung genauso ausschließt wie die Mitwirkung von Naturwesen (Devas), Engeln, oder gar von direkten göttlichen Eingriffen in die Schöpfung, also von Wundern.

Politische Hypotheken
Nach dem oben gesagten ist es schwierig, ideologiefrei über Darwin zu diskutieren. Es geht nicht allein um wissenschaftliche oder religiöse Weltanschauungen, auch politische Belastungen können das Bild verzerren.

Das zeigt – neben dem Sozialdarwinismus (Teil 4 „Das Gesetz des Dschungels“) – ein bekanntes Beispiel aus der Sowjetunion:
Marx und Engels hatten Darwin anerkannt, der von der Vererbung erworbener Eigenschaften ausging. Anfang des 20. Jahrhunderts zeigten Versuche mit Fruchtfliegen (Drosophila) dass die Gene für die Vererbung maßgeblich sind. Die Frage der Vererbung erworbener Eigenschaften schien damit erledigt. (Vgl. Teil 5 „Der Aufstieg des Lebendigen“).
Nun war es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein vordringliches Ziel der bolschewistischen Führung, den „neuen Menschen“ zu schaffen. Dazu schien die Weitergabe von Merkmalen, die durch Umwelteinflüsse – bzw. beim Menschen durch Erziehung – erworben werden, ein passendes politisches Konzept.

Der russische Biologe Trofim Denissowitsch Lyssenko (1898-1976) übernahm diese Ideologie und entwickelte eine „politisch korrekte“ stalinistische Genetik. Damit stieg er zum führenden russischen Biologen auf, dessen Arbeiten Nachteile für die russische Landwirtschaft brachten. Lyssenkos Gegenspieler, darunter der renommierte Genetiker Nikolaj Wawilow (1884-1943), landeten im Gulag. Diese Unterordnung der Wissenschaft unter die Politik ist heute als „Lyssenkoismus“ verpönt. 

Das Zufallsprinzip
Nach der modernen Synthetischen Evolutionstheorie sind wesentliche Veränderungen der Gene besonders durch Mutationen möglich. Diese entstehen zufällig, gleichgültig ob sie spontan erfolgen oder durch äußere Einflüsse ausgelöst werden. Allerdings sind die weitaus meisten Mutationen für das betreffende Lebewesen von Nachteil.

Bei umfangreichen Experimenten mit den bereits erwähnten Fruchtfliegen, die dreißig Generationen pro Jahr erreichen können, wurde durch Strahlen und Chemikalien die natürlichen Mutationsraten auf das 75.000fache gesteigert. Tausende von Mutationen wurden beobachtet, aber alle waren belanglos oder schädlich. Kein einziges Mal entstand eine neue Art.

Bakterien haben eine sehr kurze Generationenfolge. Innerhalb von 100 Jahren können bis zu 3.500.000 Generationen auftreten. Im Lauf von Jahrmillionen haben sie sich gut an ihre Umwelt angepasst, sie reagieren schnell auf Umweltgifte oder werden gegen Antibiotika resistent. Doch sie sind Bakterien geblieben. Ob und wie Bakterien sich zu höher strukturierten Lebewesen entwickeln, hat noch kein Biologe beobachten können.

Mikro- und Makroevolution
Das Darwinistische Modell von Mutation und Selektion ist durchaus im Stande, kleinere Veränderungen zu erklären, die der Anpassung an die Umwelt dienen. Man spricht hier von „Mikroevolution“, wie sie z. B. beim Birkenspinner mit seinen zwei Varianten beschrieben ist (vgl.  Teil 5 „Der Aufstieg des Lebendigen“). Weitere Beispiele wären die Antibiotika-Resistenz von Bakterien, oder die Widerstandsfähigkeit von Schädlingen gegen Pestizide.

Auch durch Züchtung lassen sich im Rahmen des vorhandenen Genpools beachtliche Veränderungen erreichen; bekannte Beispiele wären Hühner- oder Hunderassen. Derartige Züchtungen – abgesehen davon, dass sie gezielt erfolgen – führen allerdings oft zu Spezialisierung und Verarmung des Genpools, was die langfristigen Überlebenschancen der betreffenden Rassen (Unterarten) nicht verbessert.

Die Entwicklung von einfachen Lebewesen zu komplizierteren Formen, also die Entstehung neuer Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Klassen usw., ist mit vielen kleinen und kleinsten Schritten nicht hinreichend erklärbar. Damit sich z. B. neue Gattungen entwickeln, müssen Kombinationen von Eigenschaften zusammentreten, die nur im harmonischen Zusammenspiel mit einander sinnvoll sind.

In der Entwicklungsgeschichte gab es lange Perioden des Stillstandes. Diese wurden mehrmals unterbrochen durch massenhaftes Artensterben (durch Katastrophen?) und kurze Episoden, in denen neue Arten sehr schnell, geradezu spontan entstanden. Es hat also Entwicklungssprünge, Großmutationen, eine „Makroevolution“ gegeben. Bisher konnten solche Entwicklungssprünge, die z. B. zu neuen Gattungen und Familien führen, noch nicht beobachtet werden.

Aus evolutionistischer Sicht gehen Mikro- und Makro-Evolution wohl in einander über: Wenn viele Mutationen sehr schnell aufeinander – oder fast gleichzeitig – erfolgen, dann erscheint das eben als Makroevolution. (Vgl.  Teil 5 „Der Aufstieg des Lebendigen“).

Reicht der Zufall als Erklärung für eine Vielzahl harmonisch auf einander abgestimmter Mutationen, die in kurzer Zeit neue Gattungen und Familien von Lebewesen entstehen lassen?

Kettenverlängerung
Eine unerlässliche Voraussetzung für die Höherentwicklung des Lebens ist das Längenwachstum der DNS-Kette. Die Träger der Erbinformationen, die Gene, sind nach heutigem Wissen in Form der DNS-Stränge in jeder Zelle eines Lebewesens gespeichert, so dass man in diesen Molekülketten die „Blaupause“, oder auch die „Konstruktionszeichnung“ der Lebewesen sehen kann.

Je größer und komplizierter ein Lebewesen ist, um so mehr Informationen sind für seinen Aufbau nötig. So ist auch im Zuge der Entwicklung des Lebens die Länge der DNS-Ketten von 1 mm bei Bakterien über 1 m (Säugetiere) auf 1,8 m beim Menschen angewachsen.                 

Wie kommen Kettenverlängerungen zustande?
Es scheint unwahrscheinlich, dass rein zufällig eine Verlängerung der DNS-Stränge in einer Weise abläuft, die für Lebewesen von Vorteil ist. Wie aus biochemischen Überlegungen hervorgeht, ist die Chance so gut wie null. Noch weniger wahrscheinlich scheint die Möglichkeit, dass durch Zufälligkeiten eine neue Tier- oder Pflanzenart entsteht:

„Die Entstehung von neuen Tierklassen (Fisch – Reptil – Vogel) setzt die Entstehung von Synthesemöglichkeiten für zahlreiche neue Stoffe voraus. Die Synthese eines neuen Stoffes läuft über 5 bis 10 Synthesestufen, und jede einzelne Stufe benötigt ihr Enzym. Jedes neue Enzym aber setzt die Existenz eines entsprechenden neuen Gens voraus, so dass die Synthese eines neuen Stoffes die Verlängerung der DNS-Kette um 5 bis 10 Gene erfordert. Da eine halbfertige Synthesekette keinen neuen Stoff liefert, ist eine Selektion vor Fertigstellung der Synthesekette und In-Dienst-Stellung von 5 bis 10 neuen Genen absolut undenkbar. Die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung dieser Gene liegt aber zwischen (10hoch6)hoch5 = 10hoch30 und (10hoch6)hoch10 = 10hoch60, ist also bereits ein ungeheuer unwahrscheinliches Ereignis, im Gegensatz zu Mutationen, die von Zeit zu Zeit als spontan auftretende Replikaktionsfehler zwangsläufig, also mit der Wahrscheinlichkeit Eins stattfinden, ohne jedoch eine Verlängerung der DNS durch Entstehung neuer Gene bewirken zu können, die zur Entstehung einer neuen Klasse von Lebewesen absolut notwendig ist.
Mit der Fähigkeit zur Synthese eines neuen Stoffes war ein Lebewesen in aller Regel noch weit davon entfernt, eine neue Eigenschaft erworben zu haben, die ihm eine wie immer geartete Überlegenheit über seine Artgenossen sicherte. Selbst eine neue Eigenschaft, zum Beispiel Federn statt Schuppen oder Fußstummel (‚Quasten‘) statt Flossen, deren Bildung nur unter Mithilfe vieler neuer Stoffe denkbar ist (abgesehen davon, dass neue Formen durch neue Stoffe allein ohnehin nicht erklärbar sind), hätte den damit beglückten Individuen keineswegs Vorteile, sondern – wie man leicht einsieht – nur Nachteile beschert, solange nicht eine Reihe weiterer Eigenschaften und Fähigkeiten hinzugekommen wäre. Zum Federkleid (das kaum leichter und beweglicher, wohl aber im Vergleich mit Schuppen verwundbarer macht) gehörten die Flugmuskulatur, die Flugmotorik und das dazugehörige Nervensystem und die zentrale Steuerung im Gehirn, bis der erste Vogel sich vor seinen Feinden in die dritte Dimension absetzen konnte und nun endlich einen vollwertigen Ersatz für die verlorenen schützenden Schuppen des Reptils erlangt und den Vorteil eines neuen Lebensraumes gewonnen hatte.“ (13, S. 96).

Darwinisten sind der Ansicht, dass diese Stellungnahme von falschen Voraussetzungen ausgehe, da es sich auch bei der Kettenverlängerung um viele kleine aufeinanderfolgende Schritte handeln könne, deren jeder keine so geringe Wahrscheinlichkeit habe.

Überhaupt mögen Evolutionsbiologen solche Wahrscheinlichkeitsrechnungen nicht, die regelmäßig darauf hinauslaufen, dass die Entstehung und Entwicklung des organischen Lebens ein höchst unwahrscheinliches Geschehen sei, und dass es hochentwickelte Lebensformen, wie den Menschen, eigentlich nicht geben könne.

Zudem sehen Biologen das Zufallsprinzip etwas anders als Mathematiker. So sagt z. B. Josef H. Reichholf:

„Denn der Zufall ist kein Lotteriespiel. Möglich ist nur, was das Vorhandene zulässt. Der ‚Zufall‘ ist stark eingeschränkt, und viele Fehler, die durch Mutationen entstehen, werden vom Genom korrigiert. Ordnung baut auf Ordnung auf, Neues geht aus dem Vorhandenen hervor. So komplizierte Gebilde wie Augen entstanden nicht durch Zufall, sondern über sehr viele Zwischen- und Übergangsstadien. Evolution geht aus der Wechselwirkung eingeschränkter und sich wieder neu eröffnender Freiheitsgrade hervor. Der bloße Zufall ist so bedeutungslos wie die Unbestimmtheit im (sub)atomaren Bereich für die wirkliche Struktur der Materie.“

Gestaltende Kräfte
Im GW Themenheft 11 haben wir von „gestaltenden Kräften der Natur gesprochen“ (hier unter „Welträtsel und Naturwunder“ VI), die in allen alten Kulturen personifiziert wurden. Auch in unserer Zeit wird von Naturwesen, Devas, schöpferischen Intelligenzen usw. gesprochen, die in abrahamitischen Religionen zusammenfassend als Engel bezeichnet werden.

Nach der christlichen Tradition gibt es fast unbegrenzt viele Engel, große und kleine. Sie treten nicht nur als Boten Gottes in Erscheinung, sondern verwalten auch in Seinem Auftrag die irdische Welt.

Interessanter Weise war der zweite Entdecker der Selektionstheorie, Alfred Russel Wallace (vgl.  Teil 2 „Die dynamische Welt der Natur„), der Meinung dass es neben Variation und Selektion weitere Einflüsse auf die Evolution geben müsse:

„Nachdem Darwin und Wallace gemeinsam die Theorie der Evolution durch natürliche Auswahl veröffentlicht hatten, entwickelte Darwin einen düsteren Materialismus, welcher heute noch das Denken des Neodarwinismus, der orthodoxen Lehre der akademischen Biologie, durchzieht. Die gesamte Evolution muss durch Zufall zustande gekommen sein und durch unbewusste Naturgesetze; sie hat keinen Sinn und keinen Zweck.
Im Gegensatz dazu kam Wallace zu dem Schluss, dass mehr an der Evolution beteiligt sein müsse als die natürliche Auswahl und dass sie durch schöpferische Intelligenz geleitet sei, welche er mit den Engeln identifizierte. Sein Konzept wird im Titel seines letzten Buches zusammengefasst: ‚The World of Life: A Manifestation of Creative Powers, Directive Mind and Ultimate Purpose‘ (Die Welt des Lebens: ein Ausdruck schöpferischer Kraft, richtungweisenden Geistes und umfassenden Sinnes). Über Darwin hören wir heute viel, jedoch kaum etwas über Wallace. Ich finde es faszinierend, dass diese beiden unterschiedlichen Konzepte der Evolution von den beiden Begründern der Evolutionstheorie aufgestellt wurden. Sie zeigen, dass man die Evolution auf recht unterschiedliche Weise deuten kann. Ist man Materialist, so kann die evolutionäre Kreativität nur eine Frage blinden Zufalls sein. Glauben wir jedoch an andere Kräfte oder Intelligenzen im Universum, dann gibt es auch weitere mögliche Quellen der Kreativität, ob wir sie nun als Engel bezeichnen wollen oder nicht.“ (3, S. 45).

Die Naturgeschichte
Die Lehre von der Entwicklung des Lebens, die Natur- oder Entwicklungsgeschichte, ist aus meiner Sicht im Grundsätzlichen hinreichend bewiesen; ungeachtet vieler offener Fragen im Detail.

Das Leben auf unserer Erde hat sich aus einfachen Anfängen entwickelt; wahrscheinlich mit primitiven, einzelligen Lebewesen (den Eobionten) beginnend. Und die ganze Fülle der Lebensformen, welche unsere Erde derzeit tragen darf, ist das Ergebnis einer Evolution von unvorstellbarer Dynamik und unfassbarer Größe, die sich über einen Zeitraum von drei Milliarden Jahren erstreckt. Diese Evolution ist in unseren Tagen nicht zu Ende. Sie soll und wird weitergehen – es sei denn, wir Menschen beharren auf dem derzeitigen Weg der eigensinnigen Abkoppelung von der Natur und zerstören die Basis des Lebens durch rücksichtslose Ausplünderung der Erde.

Man braucht also nicht deswegen zu streiten, ob das Leben direkt der Hand Gottes entsprungen sei, oder ob es sich im Rahmen von Naturgesetzen – in denen man einen Ausdruck göttlichen Willens erkennen kann – entwickelt hat.

Zur Diskussion stehen die treibenden Kräfte, welche die Entwicklung des Lebens bewirken und – „steuern“:
· Ist es der blinde Zufall, oder ist es ein „höheres Prinzip“, eine zielgerichtete Kraft, welche die Entwicklung vom Einfachen zum Komplizierten, vom Unbewussten zum Bewussten lenkt und fördert?
· Gibt es in höheren Reichen Vorbilder für die Entwicklungen auf Erden? Der alte esoterische Grundsatz „wie oben so unten“ würde sich in diesem Fall mit Platons Ideenlehre treffen.

Eine Entwicklungen vorantreibende, lebendige Kraft, die sich bisher dem wissenschaftlichen Nachweis entzogen hat, glauben viele Menschen – ob Naturwissenschaftler oder nicht – im Weben der Natur zu empfinden. Vielleicht hat K. E. v. Baer (1792-1876), ein einst einflussreicher Arzt und Naturforscher, den Kern des Problems getroffen als er 1860 von „Gedanken der Schöpfung, auf die Erde herabgebracht“ sprach. (7, S. 75).

Anhang:
Der Hirnwurm
Es gibt in der Natur Verhaltensweisen, die durch Zufallsmutationen und Selektion, durch Versuch und Irrtum nicht entstehen konnten. Im Teil 5 („Der Aufstieg des Lebendigen“) haben wir als Beispiel von den Grabwespen gesprochen. Eine der unglaublichsten Verhaltensketten wurde beim Hirnwurm erforscht. Diese eignet sich besonders gut, Darwinisten in Erklärungsnot zu bringen:
„Der Lanzett-Egel (Dicrocoelium denitriticum) ist ein Saugwurm, der in den Gallengängen der Leber von Schafen und Rindern parasitiert. Die vom erwachsenen Wurm produzierten Eier geraten mit dem Kot des Wirtstieres nach außen. Dort werden sie von kleinen Landschnecken (Zebrina, Helicella) aufgenommen, die am Kot fressen. Die Schnecke dient als erster Zwischenwirt; in ihr entwickeln sich aus den Egel-Eiern Miracidien-Larven. Nun haben solche Parasiten auf dem Weg von einem Wirt zum nächsten immer große Verluste, besonders wenn ihre Eier mit dem Kot des Wirtstieres abgegeben werden; denn am arteigenen Kot fressen Tiere normalerweise nicht. Viel eher kommt der Parasit zunächst in einen sogenannten Überträger- oder Zwischenwirt, hier also in Schnecken. Von da ist es aber immer noch ein weiter Weg bis in ein neues Rind oder Schaf.
Deshalb schiebt der Parasit im Larvenstadium einige Vermehrungsschritte ein, er erhöht seine Individuenzahl: Die Larve entwickelt sich zur sogenannten Sporozyste, in ihr entstehen Tochter-Sporozysten, und in jeder von diesen zahlreiche Zerkarien – das sind noch immer Larvenstadien des Lanzettegels. Diese Zerkarien scheiden eine schleimige Hülle ab, in der sie – zu mehreren Hundert nebeneinander verpackt – die Schnecke durch deren Atemhöhle verlassen.
Nun liegen sie im Gras und werden leicht von Ameisen gefunden, die den Schleim und mit ihm die Zerkarien fressen, etwa 50 Stück pro Mahlzeit. In der Ameise werden die Zerkarien aber nicht verdaut, sondern beißen sich durch die Wand des Magens, und wandern ins Körperinnere der Ameise. Die Körperwand der Ameise besteht aus Chitin, und Chitin heilt nicht. Damit die Ameise weiterleben kann, verschließt jede Zerkarie ihr Loch mit einem dunkelbraunen Chitinkleber – der einzige bisher bekannte Parasit, der seinen Wirt flickt. Die so reparierte Ameise kann über ein Jahr weiterleben. Für W. Hohorst und G. Graefe, die den Lebenszyklus dieses Parasiten so eingehend untersucht haben, waren die dunklen Punkte im hellen Chitin ein bequemes Hilfsmittel, um abzuzählen, von wie vielen Zerkarien eine Ameise befallen war. Die Zerkarien wachsen in der Ameise – ihrem zweiten Zwischenwirt – bis zu einem Zystenstadium heran und warten dann, bis sie wieder in ein Rind oder Schaf kommen.
So sehr man auch suchte, man fand im Körper jeder befallenen Ameise eine Zyste weniger als die Magenwand Punkte aufwies. Endlich fand man sie aber doch, und zwar an einer ganz unerwarteten Stelle im Unterschlundganglion (also dem Hirn) der Ameise. Dieser Hirnwurm, wie man ihn nannte, hat nun zwei Besonderheiten: Erstens verändert er von dieser Stelle aus das Verhalten der Ameise. Sie geht abends, wenn es kühl wird, nicht heim ins Nest, sondern erklettert einen Grashalm und beißt sich an dessen Spitze fest . Die am Grashalm schlafende Ameise kann nun am nächsten Morgen – noch ehe sie aufgewacht ist – von grasendem Vieh verschluckt werden. Und damit sind auch die Parasiten wieder bei ihrem Endwirt angekommen, wo sie sich zu fertigen Lanzett-Egeln entwickeln. Aber – und das ist die zweite Besonderheit – der Hirnwurm selbst stirbt. Er kann keinen Wirt mehr infizieren. Er opfert sich für die anderen Zerkarien…“ (14, S. 140 f.).- 

Fortsetzung Teil 7.

Literatur:
(1) Dürr Hans-Peter, Geist und Natur, Scherz, München, 1989.
(2) Eichelbeck Reinhard, Das Darwin-Komplott, Bertelsmann, Gütersloh, 1999.
(3) Fox Matthew/Sheldrake Rupert, Engel die kosmische Intelligenz, Kösel, München, 1998.
(4) Grün Johannes, Die Schöpfung ein göttlicher Plan, Verax, CH-7537 Müstair/GR, 2000.
(5) Hagl Siegfried, Die Kluft zwischen Wissenschaft und Wahrheit, Verlag der Stiftung Gralsbotschaft, Stuttgart, 1986.
(6) Illies Joachim, Der Jahrhundert-Irrtum, Umschau, Frankfurt, 1983.
(7) Illies Joachim, Schöpfung oder Evolution, Interfrom, Zürich, 1979.
(8) Junker Reinhard/Scherer Siegfried, Evolution, Weyel, Gießen, 1998.
(9) Klein Stefan, Alles Zufall, Rowohlt,Reinbeck, 2004.
(10) Kutschera Ulrich, Evolutionsbiologie, Eugen Ulmer, Stuttgart, 2006.
(11) Logan Kevin, Crashkurs: Schöpfung und Evolution, Brockhaus, Wuppertal, 2004.
(12) Lönnig Wolf-Ekkehard, Artbegriff, Evolution und Schöpfung, Naturwissenschaftlicher Verlag, Köln, 1990.
(13) Vollmert Bruno, Chance 1 : 101.200.000, Natur, Heft 11/1982.
(14) Wickler Wolfgang/Seibt Uta, Das Prinzip Eigennutz, DTV, München 1981.
(15) Yahya Harun, Der Evolutionsschwindel, Vural Yayincilik, Istanbul, 2002
(16) http://www.stern.de/wissenschaft/mensch/581905.html?nv=ct_mt.
(17) http://www.stern.de/wissenschaft/natur/:Islamischer-Kreationismus-Mit-Allah-Darwin/585813.html.
(18) http://www.weloennig.de/AuIn.html.