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Religionsgeschichte

Der Teufel, das ist doch nur Folklore

(Veröffentlicht in GralsWelt 11/99)

In unserer Zeit tun sich viele Menschen mit Religionen, mit „religiösen Wahrheiten“ im besonderen, schwer. Allzuviel Missbrauch wurde mit dem religiösen Empfinden getrieben. Große Re­ligionsgemeinschaften stellten sich in den Dienst irdischer Herrschaftsideologien und schämten sich nicht, zum Zwecke eigener Machtausübung schreiendes Unrecht zu tolerieren und Verstöße gegen die selbst gelehrten Wertvorstellungen mit theologischen Spitz­findigkeiten zu rechtfertigen.
Eine religionsgeschichtlich besonders interessante Figur, mit der der „moderne Mensch“ nichts anzufangen weiß, liefert der in der mittelalterlichen Frömmigkeit äußerst wichtig genommene „Widersacher“, der „Satan“ oder „Teufel“. Siegfried HAGL ging der Frage nach, ob das alles wirklich nur Folklore ist.

„Ich bin der Geist, der stets verneint,
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht!
Drum besser wär’s, dass nichts entstünde,
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.“
Johann Wolfgang v. Goethe, Faust 1. Teil.

Das böse Prinzip

Zur Klärung religiöser Begriffe geht man gerne zum Ursprung einer Überlieferung zurück und fragt, was die Menschen zur Entstehungs­zeit dieser Lehre darunter verstanden haben mögen. Aber so gut wie alle Lehren entwickeln sich. Sie erfahren Ver­fälschungen, aber auch Erweiterungen und Vertiefungen, so dass der Rückgriff zum allerersten Anfang nicht zwangsläufig am weitesten führen muss.

Um zum Beispiel dem Phänomen des „Faust“ nahe zu kommen, wäre der wissen­schaftliche Weg, die alten Volksbücher zu studieren. Zuletzt könnte man dann vielleicht herausfinden, dass es im 16. Jahrhun­dert einen württembergischen Schwarzkünstler namens „Georg Faust“ gege­ben hat, der sich möglicherweise bei einem missglückten alchemistischen Experiment selbst in die Luft sprengte.

Man kann allerdings auch einfach Goethes „Faust“ lesen und in diesem Werk einer bis heute unübertroffenen Darstellung des suchenden Menschen begegnen; eines Menschen, den es so zwar nie gegeben hat, und der doch Züge trägt, die auf Jeden passen.

So unzuverlässig also die Methode auch sein mag, wir blicken hier trotzdem zurück und fragen nach dem Ursprung der Mythen vom „bösen Geist“:

Der „Widersacher“ als herausragende Figur mittelalterlicher Volksfrömmigkeit taucht in der abendländischen Geschichte erst relativ spät auf.

Im Alten Testament der Bibel sind „Engel“ häufig, „gefallene Engel“ aber kaum erwähnt, und der „Satan“ erscheint erst bei Hiob (1,6 und 2,1) und Sacharia (3,1). Der im Buch Hiob erwähnte „Satan“ hat dabei Ähnlichkeit mit einem babylonischen Dämon, der die Menschen bei den Göttern anklagt, und auch Goethe hat offensichtlich Hiob gelesen.[1]

Die nichtjüdische antike Welt kannte einen dem Satan entsprechen­den Begriff kaum. Man sah das Universum von unsichtbaren Wesen­heiten verschiedenster Art bewohnt (Göttinnen, Götter, Furien, Dämonen, Genien, Geister usw.), die in ihrer spezifischen Art auf die Menschen einwirken. Die dualistische Vorstellung von einer „bösen Macht“ im Gegensatz zu einem „Geist des Guten“ findet sich zuerst bei Zoroaster (Zarathustra, zwischen 1500 und 600 v. Chr. vgl. „Religionen der Antike X“), und es ist zu vermu­ten, dass dessen Lehre auf Spätjudentum, Christentum und Manichäis­mus eingewirkt hat.

Wie die bei Qumran gefundenen Schriftrollen beweisen, haben Essener im 1. vorchristlichen Jahrhundert Begriffe von einem „Satan“ entwickelt, wie er sich dann im Neuen Testament der Bibel an vielen Stellen findet. Dieser „Diabolos“ (griech. „Verwirrer“), der sein Pendant unter dem Namen „Iblis“ im Islam findet, wurde im Mittelalter zum all­gegenwärtigen „Versucher“, vor dessen Fallstricken den Gläubigen nur strenge Befolgung der kirchlichen Regeln, Beichte und Ablass bewahren konnten.

Kronzeuge für die Berechtigung der mittelalterlichen Teufelsfurcht ist – wie so oft bei grundlegenden christlichen Glaubenslehren – der Apostel Paulus, der im Epheserbrief in aller Deutlichkeit auf das Reich der Finsternis als gefährlichstem Feind jedes Christen­menschen hinweist:

„Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ (Eph. 6,12).

Der Offenbarung des Johannes zufolge wird die Macht dieser bösen Geister und ihres Meisters erst am Ende der Tage gebrochen, wenn „der Drachen, die alte Schlange, welche ist der Teufel und Satan“ für 1000 Jahre gefesselt wird.

Aus dem apokryphen Buch Henoch stammt die Schilderung vom Engel­sturz, die zusammen mit den autorisierten biblischen Schriften Pate stand für die in vielen Kirchen anzutreffenden Darstellungen des Erzengels Michael, der den aufsässigen Luzifer mitsamt seinem An­hang in die Hölle hinabwirft. Im Barock wurde dann Michael, der Herr der himmlischen Heerscharen, zum Leitbild der Gegenreformation, zum personifizierten Programm des Kampfes gegen jegliche Ketzerei.

Wie wichtig schon frühe Christen derartige Lehren nahmen, zeigen alte Taufriten: Im 1. Jahrhundert zum Beispiel musste ein Täufling feierlich „dem Teufel und seinen Werken“ abschwören. Der heidnische Konvertit wurde nur ge­tauft, wenn er vorher zugegeben hatte, dass alle Geister, die er bis­her verehrt oder gefürchtet hatte, in Wirklichkeit nichts als Dämonen waren – feindlich gesonnene Geister, die den einen Gott der Güte und Gerechtigkeit bekämpfen.

Satan ­- Teufel – Beelzebub
Satan (hebr. „Widersacher“), urspr. jeder Schädiger (im Krieg, vor Gericht), seit Sach. 3,1 f. und Hiob 1,6 ff./2,1 ff. der Ankläger in der himmlischen Ratsversammlung. Nach dem nichtkanonischen „Buch Henoch“ wurde der Satan wegen seines Aufruhrs gegen Gott durch den Erzengel Michael in den Abgrund gestürzt. Erst im Spätjudentum und im frühen Christentum wird der Satan Widersacher Gottes, der Teufel, mit dem er in der christlichen Tradition weitgehend verschmolz.

Teufel (aus ahd. tiufal von grch. diabolos, „Verwirrer“, „Verleumder“) Der hebr. Satan, in der christl. Glaubensüberlieferung ein böser Geist, der als oberster Widersacher Gottes auftritt, danach allgemein das als Person gedachte böse Prinzip.

Religionsgeschichte: In den prophet. Universalreligionen gilt der T. als die dem guten Gott entgegengesetzte Macht des Bösen im Sinne des Sündhaften („Diabolos“ im Christentum, „Iblis“ im Islam). Im Buddhismus ist „Mara“ Repräsentant der Unheilsmacht des „Durstes“ (tanha), mehr des unheilvollen Lebenswillens als des ethisch Bösen. Auch sonst ist die Vorstellung einer wesenhaft bösen Macht, die als Gott oder Dämon personifiziert wird, in der Religionsgeschichte verbreitet. So klagt in der babylonischen Religion ein Dämon die Menschen bei den Göttern an. In Ägypten ist Seth‑Typhon dem Teufel verwandt. Die dualistische Vorstellung von einem Träger böser Macht im Gegensatz zu einem Geist des Guten ist besonders in der Lehre Zarathustras ausgeprägt, die hinsichtlich der Vorstellung des Teufels auf Spätjudentum, Christentum und Manichäismus eingewirkt hat. Im Neuen Testament ist der Teufel zum Widersacher Gottes schlechthin geworden. Er ist der Oberste der bösen Geister (Mk. 3,22; Beelzebub), der „Herr dieser Welt“ (Joh. 12,31), Versucher (Mt. 4,1‑11), Herr der Todesmacht (Hebr. 2,14). Seine Macht ist durch Christus grundsätzlich gebrochen, so dass die Gläubigen ihm Widerstand leisten können (l. Petr. 5,8 f.) und nicht dem ewigen Tod verfallen. Seine endgültige Vernichtung geschieht aber erst beim Weltenende (Offb. 19 f.).

Beelzebub, Belzebub (hebr. BA’al‑Zebub „Herr der Fliegen“), der Stadtgott von Ekron im Lande der Philister (2. Kön. 1). Im Neuen Testament (Mark. 3,22; Matth. 10,25) ist Beelzebub der Oberste der Dämonen. Den „Teufel mit Beelzebub austreiben“ (Matth. 12, 24‑27) heißt, ein Schlimmes durch ebenso Schlimmes ersetzen.

Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 17. Auflage.

Dämonen, Teufel, böse Geister

Auf biblischer Grundlage entstand so im Mittelalter eine umfangreiche Theologie des Widersachers; unter dem Stichwort „Dämonologie“ bis heute ein Bestandteil christlicher Lehren, der allerdings kaum mehr ernst genommen wird. Macht es heute überhaupt noch Sinn, sich damit zu beschäftigen?

Zunächst steht jeder Mensch vor der Frage, ob und wie ein himmlischer Diener Gottes, der im vollen Bewusstsein von Gottes Größe und All­macht lebt, sich gegen den Allmächtigen und seine Vollkommenheit auflehnen kann. Viele Antworten wurden gesucht, unzählige Vermu­tungen geäußert, um einen Vorgang plausibel zu machen, der sich menschlichem Begreifenkönnen von vornherein entzieht. Eine der ansprechendsten aller von Menschen gegebenen Schilderungen stammt von Hildegard von Bingen (1098‑1179), der größten Visionärin des Mittelalters:

„Luzifer, der ob seines Hochmutes aus der himmlischen Herrlichkeit verstoßen wurde, war im Anfang seiner Er­schaffung so vollendet, so groß, dass er seiner Schönheit und Kraft keinen Mangel verspürte. Doch er sah seine Schön­heit und erwog bei sich die Gewalt seiner Kräfte und – ver­fiel dem Stolz. Der redete ihm zu, er solle nur alles be­ginnen, was er wolle. Er werde schon fertigbringen, was er beginne. So erspähte der stolze Engel den Platz, den er er­reichen zu können glaubte, an dem seine Kraft und Schönheit zur vollen Geltung kommen würde, und er sprach zu sich selber: ,Dort will ich glänzen wie dieser hier.'[2] Und seine ganze Streitschar stimmte ihm bei und sagte: ,Was du willst, wollen auch wir‚. Kaum aber gedachte er, vom Stolze aufgeblasen, diesen Wahnwitz auszuführen, da erhob sich wie eine feuerspeiende schwarze Wolke der Eifer des Herrn. Die Teufelsbrut zerstob.“

Folgt man solchen schwer zu fassenden Erklärungen, so wurde Luzifer  nach seinem Sturz zum Versucher, dessen Ver­führungskünsten die Menschheit nicht gewachsen war. Sie ließ sich von dem gefallenen Erzengel auf Irrwege führen. Um die Menschheit aus ihren Abirrungen zu befreien, war dann die Sendung des Gottessohnes Jesus erforderlich. Für die Endzeit ist schließlich noch ein weiterer göttlicher Eingriff prophezeit, der dann erst die endgültige Vernichtung des Übels und die Befreiung von ihm brin­gen wird.

So wurde im mittelalterlichen Weltverständnis der Kosmos zur Bühne des Kampfes zwischen Licht und Dunkel. Jeder Einzelmensch ist hin­eingewirbelt in diese Jahrtausende alte Auseinandersetzung; er wird gezwungen, Partei zu ergreifen und sich dabei für sein eige­nes Schicksal zu entscheiden. Die Welt ist polarisiert. Folgt man dem jüdischen Theologen Martin Buber, so ist diese „Moralisierung des Universums“ eine der großen Errungenschaften der jüdischen Tradition, die später von Christentum und dem Islam übernommen wurde. Ein Grund, warum Anhänger der drei großen monotheistischen Religionen das Universum mit anderen Augen sehen, als Bekenner anderer großer Religionen ?

Der große mittelalterliche Entwurf vom weltumspannenden Kampf zwi­schen Recht und Unrecht, zwischen Licht und Finsternis, wurde spä­ter verengt zu einem kleinlichen Streit zwischen Konfessionen und religiösen Gruppen, von denen jede die jeweils andere Seite des „Bundes mit satanischen Mächten“ bezichtigte. Vergessen war das große Jesus‑Wort: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matth. 7,16), und Kreuzzüge, Ketzerjagden, Inquisition und Hexen­verbrennung schienen zu beweisen, dass Luzifer längst dabei war, sich zum „Herrn dieser Welt“ aufzuschwingen, der weltliche und kirchliche Fürsten nach Belieben manipuliert.

Die moderne Schau

Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Lehre vom Widersacher ein nicht in Frage gestellter Bestandteil christlichen Reli­gionsunterrichts, und Luzifer galt als persönlich existierend. Diese Sicht wird in den letzten Jahrzehnten nur noch von Rand­gruppen vertreten (in der katholischen Kirche z. B. von dem viel geschmähten „Engelwerk“), während eine moderne Theologie, nach dem Vorbild der Psychologie im Satan nur noch eine symbolische Figur sieht. Man folgert, dass ein liebender Schöpfer weder ein böses Prinzip zugelassen, noch die Hölle geschaffen haben kann. Der Gedanke, dass sogar ein Erzengel stürzen kann, erscheint absurd, und die Vorstel­lung, dass dunkle jenseitige Ebenen die Folge niederer menschlicher Gedanken und Empfindungen seien, wird allenfalls nur von Esoterikern gelehrt.

Unsere Zeit hat sich für einen mehr psychologisch orientierten Ansatz entschieden! Demnach diente der Teufel vor allem als Schreck­gespenst, um Menschen innerlich unfrei zu machen und sie zu unter­drücken. Es gehört demnach zur notwendigen „Befreiung des Menschen“ von inneren Zwängen, diesen mittelalterlichen Aberglauben zu über­winden. Diese Ansicht vertreten nicht nur einige von der Amtskirche ver­femte Kleriker wie Eugen Drewermann, sondern auch andere pro­gressive Priester.

Teufelsfurcht ist sicher kein guter Ratgeber, und deren Über­windung zweifellos ein Fortschritt.

Wir alle könnten befreit auf­atmen, wenn wir uns sicher wären, dass es sich bei dem „Widersacher“ nur um ein Phantasieprodukt handelt. Sollte es den „Diabolos“, den „Verwirrer“, in der Schöpfungswirklichkeit aber dennoch geben, dann ist seine totale Leugnung die beste Tarnung, die er sich wünschen kann.

Auch hier stehen wir vor der Pilatus‑Frage „Was ist Wahrheit“, vor der schon griechische Philosophen kapitulierten, und die auch moderne Theologen nicht schlüssig zu beantworten wissen. Und so sind wir wieder einmal auf eigene Empfindungen und selbständiges Suchen zurückge­worfen, um zu unserem persönlichen Weltbild zu finden, das die volle Wahrheit nie umfassen, ihr nur näher kommen kann. –

 Das Geheimnis Luzifer

In der „Gralsbotschaft“ bringt Abd-ru-shin eine neue, umfassende Sicht zum „Geheimnis Luzifer“ und erklärt u.a. auch das „Luzifer-Prinzip“. Die Tiefe dieses Bildes eröffnet sich dem Leser erst durch das Studium des Gesamtwerkes in der Reihenfolge der einzelnen Vorträge. Wir zitieren in der Folge Auszüge aus dem Vortrag „Das Geheimnis Luzifer“ (Band 2) und weisen darauf hin, daß einige der genannten Begriffe Ihre Klärung erst im gesamten Schöpfungsbild erfahren, das sich dem Leser des dreibändigen Werkes nach und nach entrollt. 

„Ein grauer Schleier ruht über allem, das im Zusammenhange mit Luzifer steht. Es ist, als ob alles zurückschreckt, den Zipfel dieses Schleiers zu lüften.

Das Zurückschrecken ist in Wirklichkeit nur das Unvermögen, einzudrin­gen in das Reich des Dunkels. Das Nichtkönnen aber liegt wiederum ganz einfach in der Natur der Sache, weil auch hier der Menschengeist nicht so weit einzudringen vermag, sondern ihm in seiner Beschaffenheit eine Grenze ge­setzt ist. Ebensowenig wie er bis zur höchsten Höhe gehen kann, so vermag er auch nicht bis zur tiefsten Tiefe zu dringen, wird es auch nie vermögen.

So schuf die Phantasie Ersatz für das Fehlende, Wesen in mancherlei Gestalt. Man spricht vom Teufel in den abenteuerlichsten Formen, von dem gefallenen und ausgestoßenen Erzengel, von der Verkörperung des bösen Prinzips, und was sonst noch mehr ist. Von dem eigentlichen Wesen Luzifers versteht man nichts, trotzdem der Menschengeist von ihm getroffen und da­durch oft mitten hineingewirbelt wird in einen gewaltigen Zwiespalt, den man mit Kampf bezeichnen kann.

Diejenigen, die von einem gefallenen Erzengel sprechen, und auch die, die von der Verkörperung des bösen Prinzips reden, kommen der Tatsache am nächsten. Nur ist auch hierbei eine falsche Einstellung, die allem ein unrichti­ges Bild verleiht. Eine Verkörperung des bösen Prinzips läßt den höchsten Gipfel, das Endziel, das Lebendiger‑Körper‑Gewordene alles Bösen denken, also die Krönung, den vollkommenen Schluss.

Luzifer aber ist umgekehrt der Ursprung des falschen Prinzips, der Ausgangspunkt und die treibende Kraft. Man sollte es auch nicht das böse Prinzip nennen, das er bewirkt, sondern das falsche Prinzip. Das Wirkungsgebiet dieses unrichtigen Prinzips ist die stoffliche Schöpfung. (…)

Luzifer selbst steht außerhalb der stofflichen Schöpfung, wird also nicht mit in die Zersetzung hineingerissen, wie es den Opfern seines Prinzips er­geht; denn Luzifer ist ewig. Er stammt aus einem Teile des Göttlich‑Wesenhaften. Der Zwiespalt setzte nach dem Beginn der Entstehung alles Stoffli­chen ein. Ausgesandt, das Geistig‑Wesenhafte in dem Stofflichen zu stützen und in der Entwicklung zu fördern, erfüllte er diesen seinen Auftrag nicht in dem Sinne des schöpferischen Willens Gottvaters, sondern er wählte an­dere als die ihm durch diesen Schöpfungswillen vorgezeichneten Wege, aus einem Wollen heraus, das ihm bei seinem Wirken in der Stofflichkeit kam.

Die ihm gegebene Kraft missbrauchend, führte er unter anderem das Prin­zip der Versuchungen ein, an Stelle des Prinzips stützender Hilfe, die gleich­bedeutend mit dienender Liebe ist. Dienende Liebe im göttlichen Sinne gemeint, die nichts gemein hat mit sklavischem Dienen, sondern lediglich den geistigen Aufstieg und somit des Nächsten ewiges Glück ins Auge fasst und dementsprechend handelt.

Das Prinzip der Versuchung aber ist gleichbedeutend mit dem Legen von Fallstricken, durch die nicht genügend in sich gefestigte Kreaturen schnell straucheln, stürzen und verlorengehen, während andere wieder allerdings dabei erstarken in Wachsamkeit und Kraft, um dann machtvoll emporzublü­hen zu geistigen Höhen. Alles Schwächliche ist aber von vornherein der Ver­nichtung rettungslos preisgegeben. Das Prinzip kennt keine Güte, kein Erbarmen; es ermangelt der Liebe Gottvaters, damit aber auch der gewaltig­sten Auftriebskraft und der stärksten Stütze, die es gibt.

Die in der Bibel geschilderte Versuchung im Paradiese zeigt die Wirkung von dem Einsetzen des Luzifer‑Prinzips, indem sie bildlich darstellt, wie es durch Versuchung die Stärke oder Standhaftigkeit des Menschenpaares zu prüfen sucht, um dieses bei dem geringsten Schwanken sofort erbarmungslos in den Weg der Vernichtung zu stoßen.

Standhaftigkeit würde gleichbedeutend gewesen sein mit freudiger Ein­stellung in den göttlichen Willen, der in den einfachen Natur‑ oder Schöpfungsgesetzen liegt. Und dieser Wille, das göttliche Gebot, war dem Men­schenpaare gut bekannt. Nichtwankendwerden wäre gleichzeitig eine Befolgung dieser Gesetze gewesen, wodurch der Mensch sich diese erst rich­tig und unbeschränkt nutzbar machen kann und so zum eigentlichen »Herrn der Schöpfung« wird, weil er »mit ihnen geht«. Alle Kräfte werden ihm dann dienstbar, wenn er sich nicht entgegenstellt, und arbeiten selbsttätig zu seinen Gunsten. (…)

Luzifer will nicht in Güte das allmähliche Reifen und Erstarken abwarten, will nicht, wie er sollte, ein liebender Gärtner sein, der die ihm anvertrauten Pflanzen hütet, stützt und pflegt, sondern mit ihm wurde buchstäblich »der Bock zum Gärtner«. Er geht auf die Vernichtung alles Schwachen aus und arbeitet in dieser Weise schonungslos.

Dabei verachtet er die Opfer, die seinen Versuchungen und Fallstricken er­liegen, und will, daß sie in ihrer Schwäche zugrunde gehen sollen.

Er hat auch Ekel vor der Niedrigkeit und der Gemeinheit, die diese gefalle­nen Opfer in die Auswirkungen seines Prinzips legen; denn nur die Men­schen machen diese zu der ekelhaften Verworfenheit, in der sie sich präsen­tieren, und damit fachen sie Luzifer nur um so mehr dazu an, in ihnen Geschöpfe zu sehen, welche lediglich Vernichtung verdienen, nicht Liebe und Pflege.

Und zur Durchführung dieser Vernichtung trägt nicht wenig das sich dem Prinzip der Versuchung als natürliche Folge anschließende Prinzip des Sichauslebens bei. Das Sichausleben vollzieht sich in den niederen Regionen des Dunkels, wurde aber bei sogenannter Psychoanalyse von verschiedenen Ausübenden bereits irdisch aufgenommen in der Annahme, daß auch auf Erden das Sichausleben reift und befreit.

Doch welches entsetzliche Elend muß die Ausübung dieses Prinzips auf Erden herbeiführen! Welches Unheil muß sie anrichten, weil auf der Erde nicht wie in den Regionen des Dunkels nur Gleichartiges beisammen ist, son­dern noch Dunkleres wie Helleres neben‑ und miteinander lebt. Man denke dabei nur an das Geschlechtsleben und ähnliches. Wenn ein solches Prinzip in der Ausübung auf die Menschheit losgelassen wird, muß es am Ende nur ein Sodom und Gomorra geben, aus dem es kein Hinausgleiten gibt, sondern wo nur Schrecken größter Art ein Ende bringen kann. (…)

Die Anwendung dieses liebelosen Prinzips aber mußte Luzifer selbstver­ständlich aus der Natur der Sache heraus immer mehr von dem liebenden Willen des allmächtigen Schöpfers trennen, was die eigene Abschneidung oder Ausstoßung aus dem Lichte brachte und damit den immer tieferen Sturz Luzifers. Ein Sich‑selbst‑vom‑Licht‑getrennt‑Habender ist Luzifer, was gleichbedeutend ist mit einem Ausgestoßenen.

Die Abstoßung mußte ebenfalls nach den bestehenden Urgesetzen, dem unumstößlichen Heiligen Willen Gottvaters erfolgen, weil ein anderes Geschehen nicht möglich ist.

Da nun allein der Wille Gottvaters, des Schöpfers aller Dinge, allmächtig ist, der auch in der stofflichen Schöpfung und deren Entwicklung festwurzelt, vermag Luzifer wohl sein Prinzip in die Stofflichkeit hineinzusenden, die Auswirkungen aber werden sich immer nur in den von Gottvater festgelegten Urgesetzen bewegen können und müssen sich in deren Richtung formen.

So kann Luzifer durch die Verfolgung seines unrichtigen Prinzips wohl einen Anstoß geben zu für die Menschheit gefährlichen Wegen, er vermag aber nicht, die Menschen zu irgend etwas gewaltsam zu zwingen, sobald sich diese nicht selbst freiwillig dazu entschließen.

Luzifer kann tatsächlich nur locken. Der Mensch als solcher steht aber fe­ster als er in der stofflichen Schöpfung, demnach auch viel sicherer und kraft­voller, als ihn der Einfluß Luzifers je treffen kann. Ein jeder Mensch ist da­durch so geschützt, daß es eine zehnfache Schmach für ihn ist, wenn er sich von dieser im Vergleich zu ihm schwächeren Kraft locken läßt. Er soll beden­ken, daß Luzifer selbst außerhalb der Stofflichkeit steht, während er mit fe­sten Füßen in ihm voll vertrautem Grund und Boden wurzelt.

Luzifer ist gezwungen, zu seinen Prinzipanwendungen nur seine Hilfs­truppen zu benutzen, die sich aus in den Versuchungen gefallenen Men­schengeistern zusammenstellen.

Diesen aber ist wiederum jeder nach oben strebende Menschengeist nicht nur vollkommen gewachsen, sondern an Stärke weit überlegen. Ein einziger ernster Willensakt genügt, um ein Heer davon spurlos verschwinden zu las­sen. Vorausgesetzt, daß diese mit ihren Lockungen keinerlei Widerhall oder Anklang finden, an den sie sich klammern können. (…)“ Abd-ru-shin

Literatur:
Abd-ru-shin „Im Lichte der Wahrheit“, Gralsbotschaft, Verlag der Stiftung Gralsbotschaft, Stuttgart.
Fischer, W., „Geschichte des Teufels, Stuttgart, o. J.
Haak, F.W. „Satan, Teufel, Luzifer“, München, 1987.
Hildegard von Bingen, „Wisse die Wege (Scivias)“, Salzburg 1965.
Pagels, E,. „Satans Ursprung“, Berlin 1996.
Pagels, E., „Adam, Eva und die Schlange“, Reinbeck 1991.
Fußnoten:
[1] Die doppelzüngige, zweideutig redende Schlange der Genesis wird noch nicht als Satan bezeichnet.
[2[ Gemeint ist wohl, dass Luzifer in der Schöpfung glänzen wollte, „wie dieser“ (Gott) im ewigen himmlischen Reiche.