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Geschichte/Historik

Das war der Wilde Westen Teil 3

Über die Appalachen

(Veröffentlicht in GralsWelt 29/2003)

Die blutige Geschichte des „Wilden Westens“ in Nordamerika bietet exemplarisch einen Einblick in den Geisteszustand der Menschheit vor rund 250 Jahren. Getrieben von Eroberungsgelüsten und – siehe das einleitende Zitat – sogar unter Berufung auf den „Willen Gottes“ wurde die Unterwerfung und Ausrottung des indianischen Volkes vorangetrieben – im längsten Holocaust der bekannten Menschheitsgeschichte.

Ich bin weit davon entfernt, auch nur im Traum annehmen zu können, dass Indianer ein Recht auf Land haben könnten, vom dem sie seit Tausenden von Jahren keinen anderen Gebrauch machen als Tiere. Es ist deshalb undenkbar, dass sie einen Anspruch auf Land haben. Im Gegenteil, sie haben jeden vorstellbaren Anspruch auf Land verwirkt, weil sie außerstande sind, Land zu kultivieren. Sie müssen deshalb – und das ist Gottes Wille – von diesem Land vertrieben werden. Gottes Wort, dass der Mensch sich die Erde untertan mache, ist eine heilige Verpflichtung. Der Mensch unterscheidet sich als Krone göttlicher Schöpfung vom Tier in seiner Kultur und Zivilisation. Indianer haben das Aussehen von Menschen und sie mögen auch einer menschlichen Rasse angehören, aber wie sie uns im Augenblick entgegentreten, erscheinen sie ihrem ganzen Habitus nach eher als Tiere, als teuflische Tiere. Die Torturen, denen sie Gefangene unterwerfen, rechtfertigen allein schon ihre Ausrottung. Und was die Frage nach Friedensverträgen und garantiertem Landbesitz betrifft, so ist dem mit folgender Fragestellung zu begegnen: Wer käme schon auf den Gedanken, mit Wölfen, Klapperschlangen, Jaguaren und Coyoten über Garantien für Eigentum an Land zu verhandeln.“
Hugh Henry Brackenridge, 1782 (6, S. 74).

„Den Indianern gegenüber soll immer größte Redlichkeit geübt werden; ihr Land und Besitz sollen ihnen nie ohne ihre Zustimmung genommen werden; und sie sollen nie Einbußen an ihrem Besitz, ihren Rechten und ihrer Freiheit erfahren, es sei denn durch einen gerechten und gesetzmäßigen Krieg, der vom Kongress autorisiert ist; von Zeit zu Zeit sollen jedoch auf Gerechtigkeit und Humanität gegründete Gesetze erlassen werden, um zu verhindern, dass ihnen Unrecht geschieht, und um Frieden und Freundschaft mit ihnen zu erhalten.“
Northwest Ordiance (Nordwest-Verordnung), 1787 von Kongress der USA erlassen um den Indianern Land und Eigentum zu garantieren (5, S. 276).

Während sich die „Weißen“ in unzähligen Schlachten immer mehr ehemaliges Indianerland aneigneten, müssen sich die „Roten“ nicht nur größte Grausamkeiten gegenüber ihren Feinden nachsagen lassen, sondern auch eine folgenschwere Uneinigkeit untereinander. Tiefgreifende Stammesfehden verhinderten ein geeintes Auftreten gegenüber den Eroberern.

Auch als 1776 der amerikanische Unabhängigkeitskrieg zwischen den Nordamerikanischen Kolonien und England ausbrach, nachdem die nordamerikanischen Staaten sich von der britischen Krone losgesagt hatten, ging die Vertreibung der Indianer weiter. Immer neue Siedler drängten unaufhaltsam nach Westen – besonders ins Ohio-Tal – und ließen sich im Indianerland nieder.

Ihr Weg führte nun auch „über die Appalachen“, einen Gebirgszug, der lange Zeit die Grenze zum Indianerland gebildet hatte. Im „Cumberland-Gap“ fanden sie einen Übergang, der die Besiedelung von Kentucky möglich werden ließ, einem wildreichen Jagdgebiet mehrerer Indianerstämme, das den Weißen wie ein „Paradies“ erschien. Indessen erstand dem „roten Volk“ ein großer Seher und Führer, der neue Wege bereiten wollte – abseits unnötiger Grausamkeiten und selbstzerstörerischer Auseinandersetzungen:  Der große Tecumseh. (Siehe. u.).

Als 1774 die vereinigten Shawnee, Delawaren, Wyandot und Irkosen am „Point Pleasant“ (lieblichen Ort), an der Mündung des großen Kanhawa in den Ohio, im Kampf geschlagen wurden, brach der Widerstand der Indianer gegen den immer stärker werdenden Druck der Weißen zunächst zusammen. Die Roten mussten in dem darauf folgenden Friedenschluss auf Kentucky verzichten.

Am Beginn der USA

Im Unabhängigkeitskrieg Amerikas gegen England verhielten sich die Indianer zunächst neutral, da sie diesen Konflikt der Weißen nicht verstanden. Sie hatten Verträge mit dem englischen König abgeschlossen und wollten diesem „großen weißen Vater“ treu bleiben. Andererseits forderten sie manche ihrer Freunde auf, den Revolutionären zu helfen.

Die Bewohner Neuenglands waren ja selbst gespalten. Ein Teil der Oberschicht war königstreu, musste fliehen und verlor sein Eigentum. Die meisten wählten Kanada als Asyl und kämpften von dort aus gegen die USA. Die Spaltung der Weißen übertrug sich schließlich auf die Indianer, von denen ein Teil für den englischen König, ein anderer Teil auf der Seite der Vereinigten Staaten stand..

DANIEL BOONE
Daniel Boone (1734-1820), der J. F. Cooper das Vorbild für den Roman „Lederstrumpf“ geliefert hat, ist der wohl bekannteste Grenzer, und sein Name mit der Eroberung Kentuckys verbunden.
An der Grenze aufgewachsen, machte er seine ersten kriegerischen Erfahrungen mit Indianern als Hufschmied und Wagenführer während des Krieges gegen Franzosen und Indianer. Dabei hörte er von dem Traumland Kentucky mit seinem unerschöpflichen Wildreichtum. Die Berichte fesselten ihn so sehr, dass er zu den ersten Weißen gehörte, die dieses Indianerland erforschten, von dem er 1769 sagte: „Wir fanden überall Überfluss von Wildtieren aller Arten im ganzen wilden Forst, die Büffel waren häufiger als Kühe in den Siedlungen (…) völlig furchtlos, denn sie wussten nichts von der Gewalttätigkeit der Menschen. Manchmal sahen wir Hunderte in einer Herde, und bei den Salzquellen war ihre Zahl erstaunlich“ (1, S. 5).
Bei diesen Erkundungsfahrten war er monatelang allein, voller Glücksgefühl in der paradiesischen Landschaft, trotz dauernder Gefahr, von Indianern entdeckt zu werden, die keine Weißen in Kentucky duldeten. Zweimal geriet er in indianische Gefangenschaft (1778 ein drittes Mal) und entkam. Er verlor einen Gefährten, einen Bruder und einen Sohn, den Indianer zu Tode folterten. Doch Kentucky und dessen Erschließung ließ ihn nicht los. So baute er, Indianerpfaden folgend, im Frühjahr 1775 mit 30 Axtmännern den berühmten „Wilderness Road“ (Wildnisweg), durch den „Cumberland Gap“ *) zum Kentucky-River. Mutige Siedler folgten diesem nur für Fußgänger und Tragtiere passierbaren Pfad und errichteten noch im gleichen Jahr die ersten befestigten Ansiedlungen tief im Indianerland: Harrodsburg und Boonesburg **) am Kentucky-River. Im Unabhängigkeitskrieg wurden beide „Forts“ von Indianern mit englischer Unterstützung angegriffen; da die Belagerer nicht über Kanonen verfügten, konnten die mit Palisaden geschützten Niederlassungen standhalten.
Eine in der Geschichte der Grenze häufig erzählte und auf Abbildungen dargestellte Episode ist die Entführung von Boones Tochter Jamina und zwei ihrer Freundinnen durch Indianer (Juli 1776). Nach zweitätiger Verfolgung über ca. 60 km durch die Wildnis wurden die Mädchen von Boone und seinen Gefährten gerettet.
Im letzten wichtigen Gefecht der amerikanischen Revolution geriet eine Streitmacht der Kentuckier bei den „Blue Licks“ (den von Boone entdeckten Salzquellen, die Ende des 19. Jahrhunderts durch ein Erdbeben versiegt sind), in einen Hinterhalt, vor dem Boone ausdrücklich gewarnt hatte. Sie hatten 77 Tote, darunter einen Sohn, einen Neffen und einen Bruder Boones. ***)
Als Kentucky befriedet war, konnte Boone seine Ansprüche auf Land nicht durchsetzen. Ungenau vermessen, überlappten sich verschiedene Claims, und ausgerechnet Boone ging leer aus. Enttäuscht verließ er Kentucky und zog in einen damals noch spanischen Teil Louisianas. Gerne nahm man ihn dort auf, überließ ihm Land, und ernannte ihn zum Friedensrichter. Nahe St. Louis baute er eines der ersten Steinhäuser dieser Gegend, das man heute als Museum besichtigen und einen Eindruck von den handwerklichen Fähigkeiten des alten Grenzers erhalten kann****). Bald darauf traten die Spanier dieses Gebiet an die Franzosen ab, die Boone ebenso achtungsvoll respektierten. Als dann 1803 Lousiana an die USA kam, musste Boone erneut um seine Ansprüche vor Gericht kämpfen, doch dieses Mal – durch Schaden klug geworden – mit gesicherten Ansprüchen und der Unterstützung eines versierten Anwalts.
Nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1814 machte sich der 80jährige noch einmal auf eine große Reise. In Begleitung eines schwarzen Dieners und eines Indianerscouts wanderte er 1815/16 bis zum Yellowstone (dem heutigen Nationalpark) und weiter zum Großen Salzsee, in dem er wohl den Pazifik vermutete. 1820 starb er in seinem Heim im heutigen Missouri.
Die Entwicklung in dem von ihm erschlossenen Gebiet ging unerhört schnell. Bereits wenige Jahre nach der ersten Besiedelung (1775) des wildreichen Kentucky wurde das Wild knapp. Bald hatte Kentucky 10.000 Einwohner, die meist im Winter über den Cumberland-Gap das Gebirge passierten, sofort rodeten und säten, um noch im folgenden Herbst die erste Ernte einzufahren. Dann schossen sie so viel Wild wie möglich, um Fleisch als Nahrung und Pelze für den Verkauf zu gewinnen. Im Jahre 1798 zählte man eine Viertelmillion Einwohner (3, S. 499), und die vor kurzem noch so hart umkämpfte Grenze war befriedetes Hinterland.
*) Von Tennesse nach Kentucky beim heutigen Middlesboro.
**) Von beiden gibt es Rekonstruktionen, südwestlich bzw. südlich von Lexington, die man besichtigen kann.
***) Das „Blue Licks Battlefield“ ist heute ein Statepark an der US-68, 48 Meilen (ca. 77 km) im Nordosten von Lexington.
****) Am Highway F, bei Defiance, Missouri.
Literatur:
(1) Andrea, Rolla P. „A True, Brief History of Daniel Boone“, Vic Printing Co., Old Monroe (MO), 1991.
(2) Baumann, Peter „Auf den Spuren von Coopers Lederstrumpf“, List, München, 1982.
(3) Eckert, Allan W. „Frontiersmen“, Bantam, New York, 1970.
(4) Gagern, Friedrich v. „Das Grenzerbuch“, Paul Parey, Berlin, 1927.
(5) Josephy, Alvin M. „500 Nations“, Fredeking & Thaler, München, 1996.

Den ganzen Unabhängigkeitskrieg hindurch drängten weiterhin Siedler, Spekulanten und Agenten von Landnahmegesellschaften nach Westen, in das Land jenseits der Appalachen. Wenn die Indianer sich gegen die Eindringlinge wehrten, machten die Grenzer Intrigen der Engländer verantwortlich und forderten militärische Hilfe an.

Als 1783 der Unabhängigkeitskrieg durch den „Frieden von Paris“ beendet wurde, kümmerte sich niemand um die Interessen der Indianer. Die Briten, die versprochen hatten, die Rechte der Stämme zu schützen, traten Indianerland an die Vereinigten Staaten ab, ohne auf indianische Besitzrechte zu achten; und die Amerikaner betrachteten alles Indianerland als ihr rechtmäßiges Eigentum.

Amerikanische Agenten versuchten, den Indianern mit Nötigung, Bestechung und Gewalt riesige Gebiete abzupressen. Die empörten Indianer griffen nun erneut zur Waffe – und gewannen Schlachten. Am 3. November 1791 erlitt General St. Clair am Wabash-River die größte Niederlage, die je Indianer aus eigener Kraft den Amerikanern zugefügt haben; 623 Offiziere und Soldaten fielen, während die von Little Turtle und Blue Jacket geführten Indianer nur 21 Tote hatten. Die Indianer glaubten sich am Ziel. Doch 1794 wurden sie von einer neu aufgestellten Armee unter Anthony Wayne (1745-1796) geschlagen und mussten harten Friedenbedingungen zustimmen. Das Land, das später zum Staat Ohio wurde, ging den Indianern endgültig verloren.

Der Kampf geht weiter

Noch lebten Tausende von Indianern östlich des Mississippi. Zwei Jahrhunderte lang hatten sie für ihre Heimat, für das Überleben ihrer Stämme gekämpft. Viele Gefechte hatten sie gewonnen und die Weißen sogar in großen Schlachten gedemütigt; doch die entscheidenden Siege errangen immer die Weißen. Erlitten Indianer eine schwere Niederlage, so wollten sie den Krieg beenden und baten um Frieden. Wurden die Weißen vernichtend geschlagen, so stellten sie ein neues Heer auf, in der Regel mit einem fähigeren General an der Spitze, und konnten den Krieg zuletzt für sich entscheiden.

Vieles hätte für die Indianer anders, besser kommen können, hätten sie nur erkannt, wer der Feind war, der ihrer aller Lebensgrundlagen bedrohte, hätten sie ihre kleinlichen Stammesfehden überwunden und zusammengestanden in der Abwehr der für sie alle existenzgefährdenden Bedrohung. Viele Häuptlinge hatten diese Schwäche ihres Volkes, uneinig zu sein, erkannt, doch keinem war es geglückt, sie zu überwinden.

Da erstand unter den Indianern ein Genie, der bedeutendste Indianer geschichtlicher Zeit: Der große Tecumseh (1768-1813). Er besaß nicht nur überragende Fähigkeiten als Krieger und Seher, sondern setzte sich auch in überragender Weise für die Rettung seines Volkes ein. Das Ziel, für das er sich aufopferte, bestand darin, alle Indianer in einem geschlossenen Abwehrkampf gegen die Weißen zu einen, besonders gegen die „Langen Messer“, die amerikanischen Landräuber. Tecumsehs Traum war es, 50.000 Krieger ins Feld zu führen, und die Amerikaner vor die Wahl zu stellen, entweder Ohio und Kentucky zu räumen oder von diesem gewaltigen Indianerheer über die Appalachen zurückgetrieben zu werden. Er war dabei Realist genug, sich der Hilfe der Engländer zu versichern, die einen zweiten Krieg mit den amerikanischen Kolonien kommen sahen.

Zur Verwirklichung seines großen Planes musste Tecumseh, der keiner besonders angesehenen Familie entstammte, sich höchstes Ansehen als gefährlicher Krieger, großer Redner und begnadeter Heerführer erwerben. Dann reiste er durch den ganzen östlichen Teil Nordamerikas, von den Großen Seen bis hinab nach Florida. Er besuchte so gut wie alle Stämme östlich des Mississippi, einschließlich der Sioux in Minnesota, schilderte die von den Weißen drohenden Gefahren und entwickelte seine Ideen.

Nicht wenige, vor allem jüngere Krieger konnte er als überzeugte Gefolgsleute gewinnen und sie von der Unsinnigkeit der alten Stammeskämpfe überzeugen. Bei alten Häuptlingen, die ihren Einfluss schwinden sahen, und dem größten Teil der Irokesen sowie den Cherokee blieben seine Anstrengungen ohne Erfolg. Die Creek wurden sogar gespalten: Ein Teil, die „red sticks“ (roten Stäbe) kämpften gegen die Weißen, während die „white sticks“ (weiße Stäbe) an der Seite der Amerikaner gegen ihre Stammesbrüder vorgingen.

Grausamkeiten an der Grenze
Die Auseinandersetzungen zwischen Weiß und Rot waren von Hass und Wut durchdrungen.
Indianer behandelten Gefangene oft mit großer Grausamkeit. Bei den Waldindianern östlich des Mississippi mussten Gefangene ein schreckliches Spießrutenlaufen über sich ergehen lassen, das viele nicht überlebten. Simon Kenton (1755-1836), einer der berühmtesten Grenzer, durchlitt bei den Shawnee neun solcher Folterungen bevor er von Freunden freigekauft werden konnte.
Auch ritueller Kannibalismus war keine Ausnahme. Das Herz eines gefallenen, gefürchteten Feindes wurde ihm aus der Brust gerissen und noch roh verschlungen. Das Kochen und Essen von brutal ermordeten Gefangenen ist belegt.

Der gefürchtete Marterpfahl
Besonders grausam war der Tod am Marterpfahl. Waldindianer banden ihre Opfer an einen Pfahl und rösteten sie in einem Feuerkreis, der dem Pfahl immer näher rückte, langsam zu Tode. Man mag das als „rituelle Hinrichtung“ werten, doch damit sind solche Scheußlichkeiten nicht zu entschuldigen, die alle Weißen empörten und den Hass auf die „Roten Teufel“ schürten – allerdings zu einer Zeit, in der auch in Europa die Folter noch ein Mittel der Rechtspflege war.

Der später berühmte Tecumseh erlebte als Fünfzehnjähriger auf seinem ersten Kriegszug die Marterung eines Gefangenen. Entsetzt darüber hielt er den anwesenden Kriegern, alle älter als er, eine flammende Rede, in der er die Marterung scharf verdammte. Alle waren tief beeindruckt und versprachen, in Zukunft keine Gefangenen mehr zu quälen. (2 S. 319 f.). Als er später selbst Krieger anführte, konnte er – entgegen aller Tradition – solche Brutalitäten verhindern, und zudem dafür sorgen, dass Frauen und Kinder verschont wurden, die sonst bei der Zerstörung von Indianerdörfern oder weißen Siedlungen von beiden Parteien niedergemetzelt wurden.

Scalps
Eine weitere Widerwärtigkeit war das Skalpieren der Opfer, das Weiße wie Rote betrieben. Wenn Weiße gegen Weiße kämpften (z. B. Engländer gegen Franzosen bei der Eroberung Kanadas, Amerikaner gegen Engländer im Unabhängigkeitskrieg), standen auf beiden Seiten verbündete Indianer. Von den Weißen wurden Prämien für Skalpe von Feinden bezahlt, und dadurch die Krieger ermuntert, möglichst viele Skalpe zu bringen, die bares Geld wert waren. Auch später noch setzten Regierungen Prämien für Indianerskalpe aus (im Apachen-Krieg wurden 1861/62 100 $ für einen männlichen, 50 $ für einen weiblichen und 25 $ für einen Kinderskalp geboten; 4, S. 152). Skalpjäger sahen das als Aufforderung, wahllos jeden Indianer abzuschlachten. Nicht selten wurden friedliche Indianer Opfer solcher Mörderbanden. Indianer mussten zu der Überzeugung kommen, dass die Weißen ausnahmslos jeden Indianer ermorden wollten, dem bekannten, General William T. Sherman zugeschriebenen, Spruch folgend: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer“ (5, S. 157).
So nahm der für die Indianer aussichtslose Kampf um ihre Heimat häufig schreckliche Formen an. Auf beiden Seiten gab es elende Schurken und grausame Mörder, sowie edle Persönlichkeiten, und gerade auch die Indianer hatten wahrhaft große Menschen in ihren Reihen.

Fortsetzung „Das war der wilde Westen“ Teil 4.

Literatur:
(1) Eckert, Allan W.: „A Sorrow in Our Heart“ Bantam, New York, 1993.
(2) do.: „Frontiersmen“ Bantam, New York, 1970.
(3) do.: „That Dark and Bloody River“, Bantam, New York, 1999.
4) Gagern, Friedrich v.: „Das Grenzerbuch“, Paul Parey, Berlin, 1927.
(5) Stammel, H. J.: „Indianer“, Bertelsmann, Gütersloh, 1977.

Unterstützt wurde Tecumseh von seinem Bruder Tenskwatawa („Offene Tür“, 1775-1830), einem Propheten der seine bzw. seines Bruders Anhänger durch die Vorhersage einer Sonnenfinsternis beeindruckte. Im Jahre 1805 entstand nahe Greenville (Ohio) „Prophetstown“, eine von Tecumseh und Tenskwatawa geleitete Mustersiedlung, in der Indianer zur Abstinenz von Alkohol und zu einem von weißen Einflüssen möglichst unabhängigen Leben erzogen wurden.

Als Tecumseh 1811 zu einer großen Reise aufbrach, griff der Gouverneur William Henry Harrision (1773-1841), später der 9. Präsident der USA, überraschend Prophetstown am Zusammenfluss von Wabash und Tippecanoe an. Tenskwatawa versagte. Er ließ sich gegen ausdrückliche Anordnung seines Bruders auf einen Kampf ein, in dem die Indianer zurückgetrieben und Prophetstown niedergebrannt wurden. Bei diesem kurzen Gefecht hatten die Weißen größere Verluste als die Indianer; doch Tenskwatawa hatte leichtfertig einen großen Sieg prophezeit, sich selbst blamiert und ein Jahrzehnt mühevoller Arbeit seines Bruders zum großen Teil zunichte gemacht.

Als dann im Juni 1812 die Vereinigten Staaten England den Krieg erklärten, um Kanada zu erobern[2], konnte Tecumseh immerhin noch einige Tausend Indianer aufbieten und den Amerikanern schwere Niederlagen beibringen.

Doch dann setzten sich die Amerikaner gegen die Briten durch, deren Marine ein entscheidendes Seegefecht auf dem Erie-See verlor. Den Ausschlag für den Ausgang des Feldzuges gab zunächst der Tod von General Isaak Brock (1769-1812). Dessen unwürdiger Nachfolger, Oberst Henry Proctor, ließ die Indianer feige im Stich.

Bei der Schlacht an der kanadischen Themse am 5. Oktober 1813 flohen die Briten und Tecumseh fiel. In Kanada wird er heute als der Held gefeiert, der die Eroberung Kanadas durch die Amerikaner verhinderte (4); denn im weiteren Verlauf des Krieges wurden die Amerikaner geschlagen und weit zurückgedrängt, und es blieb schließlich bei den alten Grenzen.

Die letzte, vielleicht geringe, vielleicht große Chance der Indianer war vertan; weitere Tausende, gar Zehntausende von Kriegern auf der Seite Tecumsehs hätten das Blatt wenden können und die Indianer nicht der rigorosen Vertreibungspolitik der Vereinigten Staaten ausgeliefert. Von nun an konnten die Indianer sich nur noch in verzweifelten Rückzugsgefechten stellen, die ihr unausweichliches Schicksal nicht zu wenden vermochten; es war eine Kette von Vertreibungen im längsten Holocaust der Geschichte.

Lesen Sie dazu in „Kurz, knapp, kurios“ Seite 390 „Eine unglaubliche Ankündigung“.

Fortsetzung Das war der Wilde Westen Teil 4.

Literatur:

(1) Augustin, Siegfried: „Die Geschichte der Indianer“, Droemer-Knaur, München, 1998.

(2) Eckert, Allan, W.: „A Sorrow in Our Heart“ Bantam, New York.

(3) Gagern, Friedrich v.: „Das Grenzerbuch“, Paul Parey, Berlin, 1927.

(4) Hume, Stephen: „How Tecumseh saved Canada“, The Ottawa Citicen, 1. Juli 1998.

(5) Josephy, Alvin M.: „500 Nations“, Fredeking & Thaler, München, 1996.

(6) Stammel, H. J.: „Indianer“, Bertelsmann, Gütersloh, 1977.

(7) Tucker, Glenn: „Tecumseh“, Schünemann, Bremen, 1956.