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Buch- und Filmbesprechungen

Abschied von der Steinzeitmoral

Von Johannes Huber (Herausgeber)

Styria Verlag, Graz 2001, ISBN 3-222-12863-4.

(Veröffentlicht in GralsWelt 22/2001)

Ein Autorenteam, das von der Medizin über Naturwissenschaften bis zur Philosophie und Theologie ein weites Spektrum abdeckt, hat eines der heißen Eisen unserer Zeit angepackt: die Frage nach Ethik und Moral in einer Epoche, in der Gentechnik, Klonen, Forschung mit embrionalen Stammzellen usw. Schlagzeilen machen. Hier prallen die Überzeugungen von Naturwissenschaftlern und Theologen manchmal heftig aufeinander, und die Forderung nach einer „zeitgemäßen Ethik“, die weltweit akzeptiert ist, wird im Zeitaltalter der Globalisierung unüberhörbar.

So dürfte es z. B für Genforscher undiskutabel sein, wenn einerseits die „christliche Ethik“ jede Art von Genforschung am Menschen unterbinden möchte; z. B. mit der Begründung, dass um 1870 ein Papst verkündete, dass mit der Zeugung jedem Menschen das Leben von Gott geschenkt werde, und daher unantastbar (bzw. nicht sein Eigentum) sei, während andererseits solche Forschungen beispielsweise in Israel kein Problem darstellen, da nach rabbinischer Lehre das Leben des Menschen erst mit der Geburt beginnt.

Die Autoren des vorliegenden Buches stehen auf dem Standpunkt der Evolutionsbiologie. Sie halten die Zehn Gebote für den Ausdruck langjähriger Erfahrungen der Menschheit mit dem Zusammenleben von Gruppen im stein- oder bronzezeitlichen Umfeld, sie glauben auch nicht an eine durch übergeordnete Einsichten oder Gottgesetze begründete universelle Moral:
„Statt ständig auf den ’neuen Menschen‘ zu hoffen und an verschiedenen Utopien zu basteln, sind wir daher gut beraten, uns zunächst den ‚alten‘ genauer anzusehen. Und der bietet ein wunderbares Kaleidoskop von Merkmalen, Verhaltensweisen, die zwar der Erwartung jedes moralischen Rigoristen spotten, aber nicht einfach weggeblasen werden können, sondern in der Ethik Berücksichtigung finden müssen.“ (S. 140).

Und das Fazit des Buches lautet entsprechend:
„Wenn Ethik nicht universell ist, nicht objektiv und schon gar nicht absolut begründbar ist, dann verliert der Dissens auch wesentlich an Aggressionspotential. Bei moralischer Entrüstung ist man dann auch nicht mehr gehalten, zur Flinte zu greifen, sondern einen Kognak zu nehmen.“ (S. 149).

Diese, sich von der Religiosität – wie sie heute oft verstanden wird -, und vor allem von jeglichem Fundamentalismus distanzierenden Ansichten werden kaum uneingeschränkte Zustimmung finden. Doch ist es die geringe Mühe wert, dieses Buch zu lesen. Es bringt einen guten Überblick über die wichtigsten der anstehenden Fragen zur Anwendung der Gentechnik am Menschen, und macht mit den Überzeugungen vertraut, aus denen heraus Naturwissenschaftler die theologisch begründeten Verbote gentechnischer Eingriffe am Menschen ablehnen.